Anknüpfend an meinen
früheren Artikel über die gesundheitlichen Effekte von Bio-Lebensmitteln will ich endlich den Artikel über Umweltaspekte auf die Halde schieben. Ich werde sowieso nie fertig mit der Recherche ...
Landwirtschaft bedeutet einen Eingriff in die Natur
|
Getreidefeld: Naturidylle
oder Agrar-Industriealptraum |
Produktive Landwirtschaft ohne Veränderungen der Umwelt scheint mir unmöglich. Das fängt bei der Gewinnung der Landflächen an, wofür Wälder gerodet und Feuchtgebiete trockengelegt werden müssen, also Habitate für Wildtiere zerstört werden und durch Entwaldung und Desertifikation sogar ein Beitrag zur Klimaerwärmung geleistet wird. Es hört bei den Verschmutzungen durch ablaufende Dünge- und Pestizidrückstände, die die Gewässerökologie beeinflussen, aber nicht auf. Bewässerungssysteme können Grundwasserspiegel und Flussläufe verändern und tragen zur Versalzung von Böden in Gebieten mit hoher Verdunstungsrate bei.
Die zahlreichen Probleme sind inzwischen hinlänglich bekannt.
Es liegt auf der Hand, dass durch die intensive Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte, die vor allem technisch orientiert und wenig auf die Umwelteffekte bedacht ist, diese Probleme verschärft werden: Durch den Einsatz von synthetischen Düngemitteln erhöht sich der Eintrag von Treibhausgasen (Methan, Kohlenstoffdioxid und Stickoxiden) in die Atmosphäre und und der Abfluss von Stickstoffsalzen in Oberflächen- und Grundwässer. Pestizide verändern die Zusammensetzung der Mikrofauna in den Böden und können Wildtiere schädigen.
Jede Art von Ackerbau wird unterschiedlich stark mit diesen Problemen zu kämpfen haben, eine wirklich absolut „nachhaltige“ Landwirtschaft wird es wohl nie geben können, schon aus Prinzip nicht. Landwirtschaft wird, soll sie Nahrungsmittel in großen Mangen erzeugen, immer einen nicht geringen Einfluss auf die Umwelt ausüben.
Ist Bio-Landbau die endgültige Antwort auf diese Probleme?
Von der Bio-Landwirtschaft wird immer wieder behauptet, dass sie als einzige Alternative zum konventionellen Landbau die Lösung für diese Umweltprobleme wäre. Ich wage das zu bezweifeln. Wenn man sich
die Geschichte des organisch-biologischen Landbaus anschaut, ist augenscheinlich, dass vor allem Naturverbundenheit und Ablehnung der ungebremsten Industrialisierung als weltanschauliche Grundlagen dienen. Um ein wirklich zukunftsfähiges Konzept zu sein, darf sich die Praxis des Bio-Landbaus aber nicht dem Fortschritt entgegenstellen, wie es aber meiner Meinung nach oft geschieht.
Ich kann das alles als Nicht-Agrarwissenschaftler nicht umfassend einschätzen, aber zumindest ein paar Kernpunkte ansprechen, die in meiner Wahrnehmung immer wieder in der Diskussion „biologische vs. konventionelle Landwirtschaft“ auftauchen und vielleicht zeigen, worauf ich hinaus will.
Pflanzenschutz, Biodiversität und Landverbrauch
Auch Bio-Landwirte sind auf Pflanzenschutz, also die Bekämpfung von Fraßschädlingen oder Pilzerkrankungen angewiesen. Kulturpflanzen brauchen unsere Unterstützung bei der Feindabwehr, das sie ihre Energie nicht in die Verteidigung, sondern in hohe Erträge stecken sollen. Schon allein aus dem Grund, dass die natürlichen Abwehrmechanismen
ungesund für uns sein können, ist es sinnvoll, diesen Prozess zu kontrollieren. Die beste Möglichkeit scheint doch zu sein: zur Abwehr von Schädlingen werden Substanzen eingesetzt, egal, ob natürlich oder synthetisch, egal, ob gespritzt oder endogen produziert, die die niedrigste Toxizität für uns und andere Organismen besitzen. Indem die Abbaubarkeit und andere Parameter bewertet werden, kann man den Einfluss auf die Umwelt minimieren, zum Beispiel zum Erhalt der hohen Biodiversität auf dem Feld.
Im Bio-Landbau versteift man sich stattdessen darauf, dass nur „natürliche“ Maßnahmen gut sein könnten. Obwohl in der Schwerpunkt in der Bio-Landwirtschaft auf der generellen Vermeidung von Pestiziden liegt, kann sie oft nicht vollständig auf sie verzichten. Bio-Bauern stehen
Bt-Toxin aus
Bacillus thurengiensis,
Pyrethrum aus
Tanacetum-Blüten,
Rotenon, Kupfer und Schwefel, sowie die biologische Schädlingsbekämpfung zur Verfügung. Das Schwermetall Kupfer wird vor allem gegen Pilzerkrankungen genutzt. Es akkumuliert im Boden und ist für Mikroorganismen und Wasserorganismen giftig. Rotenon und Pyrethrum sind extrem giftig für Fische. Bt-Toxin ist giftig für viele Schmetterlingsarten und andere Insekten. Diese unerwünschten Eigenschaften können durch gezielte Modifikationen am Wirkstoffmolekül verbessert werden, oder man ersetzt die Wirstoffe gleich ganz. Eine erhöhte Spezifität gegenüber den Zielorganismen und bessere biologische Abbaubarkeit sind ökologisch sinnvolle Maßnahmen. Außerdem könnten gentechnisch veränderte Pflanzen durch die endogene Produktion von Abwehrstoffen einen hohen Ertrag gewährleisten, ohne dass Pestizide ausgebracht werden müssen. Ein kurzes Beispiel: der in Deutschland verbotene „Gentech-Mais“ MON810 produziert den Abwehrstoff Bt-Toxin in seinen Geweben in sehr geringen Konzentrationen. Bt-Toxin wird auch im Bio-Landbau als Spritzmittel eingesetzt. Für den Menschen ist das Bt-Toxin ungefährlich, gegen den argen Fraßfeind Maiszünsler (eine Schmetterlingsart) wirkt es aber außerordentlich gut. Bt-Toxin ist für andere Schmetterlinge außer dem Maiszünsler ebenfalls giftig, weshalb es nur von Vorteil sein kann, wenn das Gift ausschließlich durch die Pflanze produziert wird – und nicht, wie im Bio-Landbau, in recht hohen Konzentrationen gespritzt wird, damit überhaupt etwas in der Pflanze ankommt.
Die strikte und pauschale Ablehnung der Gentechnik und Mitteln synthetischen Ursprungs kann einer möglichst wertfreien Auswahl der besten Methoden nur im Wege stehen. „Natürlich“ muss nicht „gut für die Umwelt“ bedeuten.
So wie der Einsatz von Pestiziden gegen die Biodiversität auf dem Feld, oder schnelles Pflanzenwachstum durch mineralische Düngung gegen mögliche Eutrophierung von Gewässern abgewogen werden müssen, muss auch ein Mittelweg zwischen Ertrag pro Flächeneinheit und Landflächenverbrauch gefunden werden. Je stärker ich auf Interventionen wie Pestizide und Düngung verzichte, desto geringer wird in der Regel der Ertrag pro Flächeneinheit ausfallen. Daher ist der Flächenbedarf im Bio-Landbau bei gleichem Ertrag etwa 30% höher als bei konventioneller Landwirtschaft.
Bio-Interventionen müssen nicht immer gut für die Umwelt sein: Beispiele
Greifen wir doch ein paar plakative Beispiele heraus, die das Dilemma „objektiv beste Maßnahme vs. Naturnähe“ veranschaulichen.
Sehr bekannte sind die negativen Auswirkungen des massiven Einsatzes von Kupfer zur ökologischen Pilzbekämpfung, sowie das Aussetzen von asiatischen Marienkäfern (
Harmonia axyridis) zur biologischen Bekämpfung von Blattläusen. Der Marienkäfer breitet sich seit 2002 verstärkt aus und
droht, einheimische Arten zu verdrängen. Kupfer wird im Bio-Weinbau eingesetzt, und wenngleich die Belastung immer noch geringer ist, als im konventionellen Landbau, ist Kupfer als
breitbandig anti-mikrobiell wirkendes Schwermetall, das sich im Boden anreichert, wohl kaum „Bio“. Das Problem für Bio-Winzer:
Es gibt keine ausreichend wirksamen Alternativen natürlichen Ursprungs. Ein spezifisch wirkendes, biologisch abbaubares synthetisches Fungizid steht aus prinzipiellen Erwägungen leider nicht zur Debatte. Auch
transgene Weinpflanzen, die gegen die wichtigsten Pilzkrankheiten resistent sind, werden kategorisch ausgeschlossen.
Abseits von diesen prinzipiellen Überlegungen gibt es aber auch ein paar Studien, über die ich in der letzten Zeit gestolpert bin.
Untersuchungen über die Ökobilanz von Bio-Produkten gegenüber konventionell erzeugten Produkten
Vertraut man auf die Ergebnisse einer britischen Untersuchung, die auch in den
deutschen Wikipedia-Artikel zum Thema Eingang gefunden hat, ist die konventionelle Landwirtschaft überraschenderweise in den meisten Parametern deutlich umweltschonender als die Bio-Landwirtschaft.
[1] Betrachtet man Landverbrauch, Eutrophierungspotenzial und Versauerungspotenzial, schneidet die konventionell Methode eindeutig besser ab. Die biologische Produktion von Geflügel, Eier und Tomaten sind demnach auch in anderen Parametern wie Energieverbrauch und Wasserbrauch (Tomaten) der konventionellen Erzeugung unterlegen. Allerdings verbraucht die ökologische Landwirtschaft oft weit weniger Energie.
Wie oben erwähnt, ist die mineralische Stickstoffdüngung gleichzeitig Fluch und Segen: während sie Pflanzen zu extrem schnellem Wachstum verhilft, fördert sie den Eintrag von schädlichen Stickstoffverbindungen in Atmosphäre und Gewässer. Biologische bewirtschaftete Böden haben nach einer Studie in PNAS wenig überraschend höhere Aktivität der Bodenorganismen, sowie etwa fünfmal weniger weniger Oberflächenabfluss von Nitratverbindungen. Die Emission des sehr potenten Klimagases N
2O unterscheidet sich wohl nicht zwischen den ökologischem, integriertem und konventionellem Landbau.
[2][3]
Was brauchen wir wirklich
Ich hab's schon oft gesagt und sag's hier nochmal: Die Wissenschaft muss bei der Entwicklung von nachhaltigen Ackerbaumethoden im Vordergrund stehen. Sich von vornherein den Möglichkeiten der Gentechnik oder chemischen-synthetischen Erzeugnissen zu verschließen, zeigt, dass die grüne Bewegung nicht ideologiefrei ist und sich deshalb nicht für
die zukunftsfähige Landwirtschaftsform sein kann. Seine Popularität in der letzetn Zeit hat sicher viele konventionelle Landwirte zum Umdenken angeregt, und vor allem eine öffentliche Diskussion über die „beste Landwirtschaftsmethode“ losgetreten. Das kann ich nicht schlecht finden. Trotzdem ist mir der Bio-Landbau zu radikal, weil seine willkürlichen Beschränkungen (s.o.) paradoxerweise oft zu einer schlechten Ökobilanz biologischer Erzeugnisse führt.
Ich plädiere daher für eine Vereinigung beider Welten, wo ökologische Erwägungen eine wichtige Rolle spielen, aber vorhandene Möglichkeiten (etwa mineralische Düngung, Gentechnik, synthetische und biologische Schädlingsbekämpfung) verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Hab ich wichtige Aspekte vergessen? Kritik bitte in die Kommentare „entsorgen“!
Anmerkungen
[1]
A Williams, E Audsley, D Sandars (2006):
Determining the environmental burdens and resource use in the production of agricultural and horticultural commodities. Main Report. Defra Research Project IS0205. Bedford: Cranfield University and Defra.
[2]Sasha B. Kramer, John P. Reganold, Jerry D. Glover, Brendan J. M. Bohannan, and Harold A. Mooney (2006):
Reduced nitrate leaching and enhanced denitrifier activity and efficiency in organically fertilized soils. PNAS 103(12) S. 4522-4527
[3]Maeder P, Fliessbach A, Dubois D, Gunst L, Fried P, Niggli U (2002):
Soil Fertility and Biodiversity in Organic Farming. Science 296(5573) S. 1694
Anknüpfend an meinen
früheren Artikel über die gesundheitlichen Effekte von Bio-Lebensmitteln will ich endlich den Artikel über Umweltaspekte auf die Halde schieben. Ich werde sowieso nie fertig mit der Recherche ...
Landwirtschaft bedeutet einen Eingriff in die Natur
|
Getreidefeld: Naturidylle
oder Agrar-Industriealptraum |
Produktive Landwirtschaft ohne Veränderungen der Umwelt scheint mir unmöglich. Das fängt bei der Gewinnung der Landflächen an, wofür Wälder gerodet und Feuchtgebiete trockengelegt werden müssen, also Habitate für Wildtiere zerstört werden und durch Entwaldung und Desertifikation sogar ein Beitrag zur Klimaerwärmung geleistet wird. Es hört bei den Verschmutzungen durch ablaufende Dünge- und Pestizidrückstände, die die Gewässerökologie beeinflussen, aber nicht auf. Bewässerungssysteme können Grundwasserspiegel und Flussläufe verändern und tragen zur Versalzung von Böden in Gebieten mit hoher Verdunstungsrate bei.
Die zahlreichen Probleme sind inzwischen hinlänglich bekannt.
Es liegt auf der Hand, dass durch die intensive Landwirtschaft der letzten Jahrzehnte, die vor allem technisch orientiert und wenig auf die Umwelteffekte bedacht ist, diese Probleme verschärft werden: Durch den Einsatz von synthetischen Düngemitteln erhöht sich der Eintrag von Treibhausgasen (Methan, Kohlenstoffdioxid und Stickoxiden) in die Atmosphäre und und der Abfluss von Stickstoffsalzen in Oberflächen- und Grundwässer. Pestizide verändern die Zusammensetzung der Mikrofauna in den Böden und können Wildtiere schädigen.
Jede Art von Ackerbau wird unterschiedlich stark mit diesen Problemen zu kämpfen haben, eine wirklich absolut „nachhaltige“ Landwirtschaft wird es wohl nie geben können, schon aus Prinzip nicht. Landwirtschaft wird, soll sie Nahrungsmittel in großen Mangen erzeugen, immer einen nicht geringen Einfluss auf die Umwelt ausüben.
Ist Bio-Landbau die endgültige Antwort auf diese Probleme?
Von der Bio-Landwirtschaft wird immer wieder behauptet, dass sie als einzige Alternative zum konventionellen Landbau die Lösung für diese Umweltprobleme wäre. Ich wage das zu bezweifeln. Wenn man sich
die Geschichte des organisch-biologischen Landbaus anschaut, ist augenscheinlich, dass vor allem Naturverbundenheit und Ablehnung der ungebremsten Industrialisierung als weltanschauliche Grundlagen dienen. Um ein wirklich zukunftsfähiges Konzept zu sein, darf sich die Praxis des Bio-Landbaus aber nicht dem Fortschritt entgegenstellen, wie es aber meiner Meinung nach oft geschieht.
Ich kann das alles als Nicht-Agrarwissenschaftler nicht umfassend einschätzen, aber zumindest ein paar Kernpunkte ansprechen, die in meiner Wahrnehmung immer wieder in der Diskussion „biologische vs. konventionelle Landwirtschaft“ auftauchen und vielleicht zeigen, worauf ich hinaus will.
Pflanzenschutz, Biodiversität und Landverbrauch
Auch Bio-Landwirte sind auf Pflanzenschutz, also die Bekämpfung von Fraßschädlingen oder Pilzerkrankungen angewiesen. Kulturpflanzen brauchen unsere Unterstützung bei der Feindabwehr, das sie ihre Energie nicht in die Verteidigung, sondern in hohe Erträge stecken sollen. Schon allein aus dem Grund, dass die natürlichen Abwehrmechanismen
ungesund für uns sein können, ist es sinnvoll, diesen Prozess zu kontrollieren. Die beste Möglichkeit scheint doch zu sein: zur Abwehr von Schädlingen werden Substanzen eingesetzt, egal, ob natürlich oder synthetisch, egal, ob gespritzt oder endogen produziert, die die niedrigste Toxizität für uns und andere Organismen besitzen. Indem die Abbaubarkeit und andere Parameter bewertet werden, kann man den Einfluss auf die Umwelt minimieren, zum Beispiel zum Erhalt der hohen Biodiversität auf dem Feld.
Im Bio-Landbau versteift man sich stattdessen darauf, dass nur „natürliche“ Maßnahmen gut sein könnten. Obwohl in der Schwerpunkt in der Bio-Landwirtschaft auf der generellen Vermeidung von Pestiziden liegt, kann sie oft nicht vollständig auf sie verzichten. Bio-Bauern stehen
Bt-Toxin aus
Bacillus thurengiensis,
Pyrethrum aus
Tanacetum-Blüten,
Rotenon, Kupfer und Schwefel, sowie die biologische Schädlingsbekämpfung zur Verfügung. Das Schwermetall Kupfer wird vor allem gegen Pilzerkrankungen genutzt. Es akkumuliert im Boden und ist für Mikroorganismen und Wasserorganismen giftig. Rotenon und Pyrethrum sind extrem giftig für Fische. Bt-Toxin ist giftig für viele Schmetterlingsarten und andere Insekten. Diese unerwünschten Eigenschaften können durch gezielte Modifikationen am Wirkstoffmolekül verbessert werden, oder man ersetzt die Wirstoffe gleich ganz. Eine erhöhte Spezifität gegenüber den Zielorganismen und bessere biologische Abbaubarkeit sind ökologisch sinnvolle Maßnahmen. Außerdem könnten gentechnisch veränderte Pflanzen durch die endogene Produktion von Abwehrstoffen einen hohen Ertrag gewährleisten, ohne dass Pestizide ausgebracht werden müssen. Ein kurzes Beispiel: der in Deutschland verbotene „Gentech-Mais“ MON810 produziert den Abwehrstoff Bt-Toxin in seinen Geweben in sehr geringen Konzentrationen. Bt-Toxin wird auch im Bio-Landbau als Spritzmittel eingesetzt. Für den Menschen ist das Bt-Toxin ungefährlich, gegen den argen Fraßfeind Maiszünsler (eine Schmetterlingsart) wirkt es aber außerordentlich gut. Bt-Toxin ist für andere Schmetterlinge außer dem Maiszünsler ebenfalls giftig, weshalb es nur von Vorteil sein kann, wenn das Gift ausschließlich durch die Pflanze produziert wird – und nicht, wie im Bio-Landbau, in recht hohen Konzentrationen gespritzt wird, damit überhaupt etwas in der Pflanze ankommt.
Die strikte und pauschale Ablehnung der Gentechnik und Mitteln synthetischen Ursprungs kann einer möglichst wertfreien Auswahl der besten Methoden nur im Wege stehen. „Natürlich“ muss nicht „gut für die Umwelt“ bedeuten.
So wie der Einsatz von Pestiziden gegen die Biodiversität auf dem Feld, oder schnelles Pflanzenwachstum durch mineralische Düngung gegen mögliche Eutrophierung von Gewässern abgewogen werden müssen, muss auch ein Mittelweg zwischen Ertrag pro Flächeneinheit und Landflächenverbrauch gefunden werden. Je stärker ich auf Interventionen wie Pestizide und Düngung verzichte, desto geringer wird in der Regel der Ertrag pro Flächeneinheit ausfallen. Daher ist der Flächenbedarf im Bio-Landbau bei gleichem Ertrag etwa 30% höher als bei konventioneller Landwirtschaft.
Bio-Interventionen müssen nicht immer gut für die Umwelt sein: Beispiele
Greifen wir doch ein paar plakative Beispiele heraus, die das Dilemma „objektiv beste Maßnahme vs. Naturnähe“ veranschaulichen.
Sehr bekannte sind die negativen Auswirkungen des massiven Einsatzes von Kupfer zur ökologischen Pilzbekämpfung, sowie das Aussetzen von asiatischen Marienkäfern (
Harmonia axyridis) zur biologischen Bekämpfung von Blattläusen. Der Marienkäfer breitet sich seit 2002 verstärkt aus und
droht, einheimische Arten zu verdrängen. Kupfer wird im Bio-Weinbau eingesetzt, und wenngleich die Belastung immer noch geringer ist, als im konventionellen Landbau, ist Kupfer als
breitbandig anti-mikrobiell wirkendes Schwermetall, das sich im Boden anreichert, wohl kaum „Bio“. Das Problem für Bio-Winzer:
Es gibt keine ausreichend wirksamen Alternativen natürlichen Ursprungs. Ein spezifisch wirkendes, biologisch abbaubares synthetisches Fungizid steht aus prinzipiellen Erwägungen leider nicht zur Debatte. Auch
transgene Weinpflanzen, die gegen die wichtigsten Pilzkrankheiten resistent sind, werden kategorisch ausgeschlossen.
Abseits von diesen prinzipiellen Überlegungen gibt es aber auch ein paar Studien, über die ich in der letzten Zeit gestolpert bin.
Untersuchungen über die Ökobilanz von Bio-Produkten gegenüber konventionell erzeugten Produkten
Vertraut man auf die Ergebnisse einer britischen Untersuchung, die auch in den
deutschen Wikipedia-Artikel zum Thema Eingang gefunden hat, ist die konventionelle Landwirtschaft überraschenderweise in den meisten Parametern deutlich umweltschonender als die Bio-Landwirtschaft.
[1] Betrachtet man Landverbrauch, Eutrophierungspotenzial und Versauerungspotenzial, schneidet die konventionell Methode eindeutig besser ab. Die biologische Produktion von Geflügel, Eier und Tomaten sind demnach auch in anderen Parametern wie Energieverbrauch und Wasserbrauch (Tomaten) der konventionellen Erzeugung unterlegen. Allerdings verbraucht die ökologische Landwirtschaft oft weit weniger Energie.
Wie oben erwähnt, ist die mineralische Stickstoffdüngung gleichzeitig Fluch und Segen: während sie Pflanzen zu extrem schnellem Wachstum verhilft, fördert sie den Eintrag von schädlichen Stickstoffverbindungen in Atmosphäre und Gewässer. Biologische bewirtschaftete Böden haben nach einer Studie in PNAS wenig überraschend höhere Aktivität der Bodenorganismen, sowie etwa fünfmal weniger weniger Oberflächenabfluss von Nitratverbindungen. Die Emission des sehr potenten Klimagases N
2O unterscheidet sich wohl nicht zwischen den ökologischem, integriertem und konventionellem Landbau.
[2][3]
Was brauchen wir wirklich
Ich hab's schon oft gesagt und sag's hier nochmal: Die Wissenschaft muss bei der Entwicklung von nachhaltigen Ackerbaumethoden im Vordergrund stehen. Sich von vornherein den Möglichkeiten der Gentechnik oder chemischen-synthetischen Erzeugnissen zu verschließen, zeigt, dass die grüne Bewegung nicht ideologiefrei ist und sich deshalb nicht für
die zukunftsfähige Landwirtschaftsform sein kann. Seine Popularität in der letzetn Zeit hat sicher viele konventionelle Landwirte zum Umdenken angeregt, und vor allem eine öffentliche Diskussion über die „beste Landwirtschaftsmethode“ losgetreten. Das kann ich nicht schlecht finden. Trotzdem ist mir der Bio-Landbau zu radikal, weil seine willkürlichen Beschränkungen (s.o.) paradoxerweise oft zu einer schlechten Ökobilanz biologischer Erzeugnisse führt.
Ich plädiere daher für eine Vereinigung beider Welten, wo ökologische Erwägungen eine wichtige Rolle spielen, aber vorhandene Möglichkeiten (etwa mineralische Düngung, Gentechnik, synthetische und biologische Schädlingsbekämpfung) verantwortungsvoll eingesetzt werden.
Hab ich wichtige Aspekte vergessen? Kritik bitte in die Kommentare „entsorgen“!
Anmerkungen
[1]
A Williams, E Audsley, D Sandars (2006):
Determining the environmental burdens and resource use in the production of agricultural and horticultural commodities. Main Report. Defra Research Project IS0205. Bedford: Cranfield University and Defra.
[2]Sasha B. Kramer, John P. Reganold, Jerry D. Glover, Brendan J. M. Bohannan, and Harold A. Mooney (2006):
Reduced nitrate leaching and enhanced denitrifier activity and efficiency in organically fertilized soils. PNAS 103(12) S. 4522-4527
[3]Maeder P, Fliessbach A, Dubois D, Gunst L, Fried P, Niggli U (2002):
Soil Fertility and Biodiversity in Organic Farming. Science 296(5573) S. 1694
Ist „Bio“ besser (3): Produktionsqualität und Umweltschutz
Ja, ja, ja! Erstmal ist es total egal, nach welcher Methode die Sorten hergestellt werden, wie Schädlingsbekämpfung, Ernte, Prozessierung, etc. stattfinden. Wichtig ist, dass nach objektiven wissenschaftlichen Kriterien getestet und verglichen wird. Es gibt mit Sicherheit positive Aspekte in allen Anbaumethoden, und wieso sollte man sich denen aus ideologischen Gründen verwehren?
AntwortenLöschenKennst du "Tomorrow's Table"? Das ist ein Buch von Scienceblogs-Autorin Pamela Ronald und ihrem Mann Raoul Adamchak, in dem sie grüne Biotechnologie und Bio-Anbau erklären, und überzeugend darlegen, warum die beiden sich eben nicht gegenseitig ausschließen. Sehr empfehlenswert!
Vielleicht bin ich geschädigt von meiner Uni (Boku), aber mir kommt das zu einseitig vor. Ich höre und lese immer wieder, dass biologische Lebensmittel (inkl. Dünger, Treibstoff f. Maschinen etc.) besser abschneiden. Dabei sei heraus gestrichen, dass ich von heimischen Lebensmitteln spreche. Ich halte nichts von importierter Bio-Ware (selbst wenn die Tomate aus Spanien besser abschneidet als die aus Ö - im Winter). Da komme ich zum Punkt ob Bio ökologisch ist. Soweit ich das bis jetzt mit bekommen habe ja, wenn es regional und saisonal ist. Der Bio-Apfel im CA-Lager (kontrollierte Atmosphäre) schneidet im Jänner gleich ab wie der aus Neuseeland. Und da komm ich dann zum nächsten Punkt: kleine LW. Das Problem mit Bio ist wohl auch, dass es im Moment so viele wollen und der Markt da mit machen will. Dementsprechend bestimmt der Markt (Konsument?) den Preis und die drei Großen unterbieten sich gegenseitig. Dadurch ist Bio vielleicht nachhaltig im Sinne der Umwelt, aber nicht im sozialen Sinne.
AntwortenLöschenDu siehst, es ist unglaublich schwer alle Aspekte rein zu bringen und unterm Strich dann ein Ergebnis zu bekommen, dass dir klar sagt wie die Dinge gelagert sind.
Bei einem Vortrag unlängst wurde einmal mehr darauf hingewiesen, dass der Boden viel zu wenig verstanden ist. Im Film "Good Food, Bad Food" wird auch auf die Wichtigkeit der Bodenbiologie hingewiesen, die star, durch die Bodenchemie verdrängt wurde.
Da fällt mir ein, dass eine funktionierende schonende LW von einem Kreislauf profitiert. Das heißt dann auch weg von der Spezialisierung. Da hat man Kühe, die den Dünger produzieren (mit EHEC blabla wohl in Verruf geraten), Fruchtfolgen, die den Boden wieder mit Nährstoffen anreichern usw.
PS: Von Gentechnik im Stile Monsantos halt ich gar nix! Die Natur ist nicht blöd und schön langsam wird das Unkraut immun und die Bauern haben wieder mit dem Unkraut zu kämpfen.
PPS: Entschludige fehlende Quellenangaben, aber das würde meinen Zeitrahmen sprengen.
Die Diskussion geht hier im neuen Blog weiter.
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