Nachdem wir den nassesten August aller Zeiten überlebt haben, stürzen die sommerlichen Temperaturen ab. Der Herbst kündigt sich langsam an ...
Jedes Jahr im Herbst ändern die Bäume die Farbe ihrer Blätter, das weiß jedes Kind. Die einfachste Erklärung dafür ist: Das
Blattgrün (Chlorophyll) wird abgebaut und andere, sonst nicht sichtbare Farbstoffe kommen zu Vorschein. Die freiwerdenden wertvollen Nährstoffe werden in den Speicherorganen der Pflanzen eingelagert, damit sie im Frühling mit der Blattbildung neu durchstarten kann. Nur ist es leider nicht ganz so einfach.
Zum einen ist es richtig, dass Chlorophyll abgebaut wird, und damit die grüne Farbe verloren geht. Der Grund ist jedoch nicht, dass das stickstoffhaltige Molekül für den Aufbau neuer Stoffe im nächsten Jahr recycled wird – vielmehr wird Chlorophyll zu farblosen Chlorophyll-Abbauprodukten (NCC,
non-fluorescent chlorophyll catabolites) abgebaut und in der
Vakuole deponiert. Die Chlorophyll-Kataboliten, die kein Magnesium-Zentralatom und auch kein zusammenhängendes Doppelbindungssystem mehr aufweisen, werden zusammen mit den Blättern entsorgt.
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Links: Chlorophyll, rechts: Chlorophyll-Abbauprodukt |
Chlorophyll ist ein Photosensibilisator, der bei Aufnahme eines Photons in einen angeregten Zustand wechselt und damit erleichtert Redoxreaktionen durchführen kann. In der Photosynthese ist das gewünscht, da nur so Wasser gespaltet und Elektronen gewonnen werden können. Hier ist das Frabstoffmolekül allerdings fest in Proteinkomplexe eingebunden. Frei gelöstes Chlorophyll wäre fatal für die Zelle: der angeregte Zustand würde auf Sauerstoff übertragen werden, der dann als „freies Radikal“, oder besser
reaktive Sauerstoffspezies kurzerhand Kleinholz aus Biomembranen und Proteinen machen würde.
Die Unschädlichmachung und Deponierung des photoreaktiven Chlorophylls macht einen gefahrlosen Abbau der Proteine des Photosyntheseapparats also erst möglich, denn hier lagert das Gros des wertvollen Stickstoffs: ganze 80% der Membranen in den Chloroplasten bestehen aus Proteinen. Proteine bestehen aus Aminosäuren, und ein Hauptbestandteil von
Aminosäuren ist Stickstoff, neben Phosphor ein limitierendes Nährstoffelement.
Cellulose, ein Kohlenhydrat und der Hauptbestandteil der Zellwände, ist dagegen nicht sehr wertvoll. Kohlenstoffdioxid und Wasser sind als Nährstoffe nicht limitierend, weshalb sich die Pflanze in der Regel nicht die Mühe macht, sie aus Cellulose zurückzugewinnen. Aus dem gleichen Grund werden auch die gelben Blattfarbstoffe, die Carotinoide, nicht abgebaut: als reine Kohlenwasserstoffe sind sie für ein Recycling unattraktiv.
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gelb-orange-farbenes β-Carotin:
Kohlenstoff und Wasserstoff, aber kein wertvoller Stickstoff (N) |
So weit, so gut – das grüne Chlorophyll verschwindet, gelb-orange Carotinoide, die die ganze Zeit durch das kräftige Blattgrün überdeckt wurden, kommen zum Vorschein. Damit kann man die Färbung der meisten Blätter in Europa erklären: Birke, Erle, Eiche oder Pappel bekommen gelbe Blätter, bevor sie sie abwerfen.
Ein Rätsel dagegen ist die Rotfärbung zahlreicher amerikanischer Arten: viele Eichen- und vor allem Ahornarten fallen durch überaus knallig rote Farben auf (siehe Foto ganz oben). Diese roten Farbstoffe (
Anthocyane) müssen durch aufwendige Synthese erst durch die Pflanze hergestellt werden. Auf dem amerikanischen Nordkontinent läuft das Ganze auch noch synchronisiert ab, ein alljährliches Ereignis, was man „drüben“ als
foliage und bei uns als „
Indian Summer“ bezeichnet.
Aber wozu der ganze Aufwand? Es gibt eine Reihe von Erklärungsansätzen, die
in Teil 2 behandelt werden.
Quellen
Matile P (2000). Biochemistry of Indian summer: physiology of autumnal leaf coloration. Experimental gerontology, 35 (2), 145-58 PMID: 10767575
Nachdem wir den nassesten August aller Zeiten überlebt haben, stürzen die sommerlichen Temperaturen ab. Der Herbst kündigt sich langsam an ...
Jedes Jahr im Herbst ändern die Bäume die Farbe ihrer Blätter, das weiß jedes Kind. Die einfachste Erklärung dafür ist: Das
Blattgrün (Chlorophyll) wird abgebaut und andere, sonst nicht sichtbare Farbstoffe kommen zu Vorschein. Die freiwerdenden wertvollen Nährstoffe werden in den Speicherorganen der Pflanzen eingelagert, damit sie im Frühling mit der Blattbildung neu durchstarten kann. Nur ist es leider nicht ganz so einfach.
Zum einen ist es richtig, dass Chlorophyll abgebaut wird, und damit die grüne Farbe verloren geht. Der Grund ist jedoch nicht, dass das stickstoffhaltige Molekül für den Aufbau neuer Stoffe im nächsten Jahr recycled wird – vielmehr wird Chlorophyll zu farblosen Chlorophyll-Abbauprodukten (NCC,
non-fluorescent chlorophyll catabolites) abgebaut und in der
Vakuole deponiert. Die Chlorophyll-Kataboliten, die kein Magnesium-Zentralatom und auch kein zusammenhängendes Doppelbindungssystem mehr aufweisen, werden zusammen mit den Blättern entsorgt.
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Links: Chlorophyll, rechts: Chlorophyll-Abbauprodukt |
Chlorophyll ist ein Photosensibilisator, der bei Aufnahme eines Photons in einen angeregten Zustand wechselt und damit erleichtert Redoxreaktionen durchführen kann. In der Photosynthese ist das gewünscht, da nur so Wasser gespaltet und Elektronen gewonnen werden können. Hier ist das Frabstoffmolekül allerdings fest in Proteinkomplexe eingebunden. Frei gelöstes Chlorophyll wäre fatal für die Zelle: der angeregte Zustand würde auf Sauerstoff übertragen werden, der dann als „freies Radikal“, oder besser
reaktive Sauerstoffspezies kurzerhand Kleinholz aus Biomembranen und Proteinen machen würde.
Die Unschädlichmachung und Deponierung des photoreaktiven Chlorophylls macht einen gefahrlosen Abbau der Proteine des Photosyntheseapparats also erst möglich, denn hier lagert das Gros des wertvollen Stickstoffs: ganze 80% der Membranen in den Chloroplasten bestehen aus Proteinen. Proteine bestehen aus Aminosäuren, und ein Hauptbestandteil von
Aminosäuren ist Stickstoff, neben Phosphor ein limitierendes Nährstoffelement.
Cellulose, ein Kohlenhydrat und der Hauptbestandteil der Zellwände, ist dagegen nicht sehr wertvoll. Kohlenstoffdioxid und Wasser sind als Nährstoffe nicht limitierend, weshalb sich die Pflanze in der Regel nicht die Mühe macht, sie aus Cellulose zurückzugewinnen. Aus dem gleichen Grund werden auch die gelben Blattfarbstoffe, die Carotinoide, nicht abgebaut: als reine Kohlenwasserstoffe sind sie für ein Recycling unattraktiv.
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gelb-orange-farbenes β-Carotin:
Kohlenstoff und Wasserstoff, aber kein wertvoller Stickstoff (N) |
So weit, so gut – das grüne Chlorophyll verschwindet, gelb-orange Carotinoide, die die ganze Zeit durch das kräftige Blattgrün überdeckt wurden, kommen zum Vorschein. Damit kann man die Färbung der meisten Blätter in Europa erklären: Birke, Erle, Eiche oder Pappel bekommen gelbe Blätter, bevor sie sie abwerfen.
Ein Rätsel dagegen ist die Rotfärbung zahlreicher amerikanischer Arten: viele Eichen- und vor allem Ahornarten fallen durch überaus knallig rote Farben auf (siehe Foto ganz oben). Diese roten Farbstoffe (
Anthocyane) müssen durch aufwendige Synthese erst durch die Pflanze hergestellt werden. Auf dem amerikanischen Nordkontinent läuft das Ganze auch noch synchronisiert ab, ein alljährliches Ereignis, was man „drüben“ als
foliage und bei uns als „
Indian Summer“ bezeichnet.
Aber wozu der ganze Aufwand? Es gibt eine Reihe von Erklärungsansätzen, die
in Teil 2 behandelt werden.
Quellen
Matile P (2000). Biochemistry of Indian summer: physiology of autumnal leaf coloration. Experimental gerontology, 35 (2), 145-58 PMID: 10767575
Die Blattfärbung im Herbst (1): Wertstoffrecycling
Danke,
AntwortenLöschenich bin von der Komplexität tatsächlich etwas überrascht. Eine Frage, du schreibt sie werden einfach in den Vakuolen eingelagert. Ich überlege gerade wo dann eigentlich im Baum. Im Ast, im Stamm, in den Wurzeln - und warum gehen sie bei Frost nicht kaputt?
Grüße,
Frank
Typischer Fall von wieder was gelernt :). Danke für den zeitnahen Herbstbeitrag!
AntwortenLöschenDu schreibst ja, dass die Prozesse für Europa einigermaßen geklärt sind. Als ich in Südafrika war (August - Oktober, also im südafrikanischen Frühling) war ich sehr überrascht, wie viele Bäume dort entweder noch ganz kahl waren oder nie ihr grünes Laub verlieren. Müssen diese (also die mit "Dauerlaub") nicht recyclen?
Unsere Laubbäume in den gemäßigten Breiten wollen vor dem Winter die Blätter ja wegen dem Frost loswerden, die Blätter würden die Kälte einfach nicht überstehen.
AntwortenLöschenAber ich kann mir noch andere Gründe vorstellen, warum man als Baum die Blätter auswechselt: In der Vakuole werden häufig Schadstoffe eingelagert (Salze oder eben Chlorophyll-Metaboliten), die ja irgendwie entsorgt werden müssen. Ein weiterer Grund ist die abnehmende physiologische Leistungsfähigkeit der Blätter mit zunehmendem Alter.
Außerdem kann die Pflanze sich so auch veränderten Lichtverhältnissen anpassen, denn je nach Lichtintesität werden oft Schatten- oder Lichtblätter gebildet, die sich in ihrer Architektur ziemlich unterscheiden.
Also: Ja, es gibt gute Gründe für einen Blattwechsel, auch bei tropischen oder immergrünen Arten. Soweit ich weiß, geschieht er dort eher kontinuierlich, immer wieder wird ein Blatt ersetzt, sodass der Baum nie ganz kahl ist. Und wenn die Pflanze aus dem runtergewirtschafteten Blättern noch etwas Nährstoffe rausschlagen kann, wo wird sie das auf jeden Fall tun - Phosphor und Sticksroff sind oft rar.
@Frank
AntwortenLöschenDie Chlorophyll-Metaboliten werden in die Vakuolen der Blattzellen eingelagert und zusammen mit den alten Blättern entsorgt.
Und was die Zellen in den lebenden Geweben unter der Rinde angeht: die sind gut gegen Frost geschützt. Die Stategie dabei ist in der Regel, dass im Zellinneren hohe Glukose- und Aminosäuregehalte erzeugt werden, wodurch der Gefrierpunkt stark gesenkt wird. Eiskristalle bilden sich dann außerhalb der Zelle, wo sie keinen großen Schaden anrichten. Es ist für die Zelle dann eher so wie ein „Trockenstress“, da ihr bei Eisbildung immer weiter Wasser entzogen wird.
Wenn du es ganz genau wissen willst: In der Wikipedia existiert (erstaunlicherweise) ein Artikel Kältestress bei Pflanzen, der scheint ganz gut zu sein.