Samstag, 15. Januar 2011

Nobelpreiskrankheit und Selbstverliebtheit von Wissenschaftlern

[Doppelpost! Kommentare bitte bei „Detritus“ abladen]

Schon mal aufgefallen, das jeder mögliche Humbug mit irgendwelchen Autoritäten gerechtfertigt wird? Prominente Schauspieler finden Impfungen doof, Oberärzte mögen die Homöopathie und Nobelpreisträger leugnen den Zusammenhang zwischen HIV und AIDS.
Sicher, ein Großteil unseres Wissens wird uns durch Autoritäten vermittelt – unsere Eltern, Lehrer, Hochschuldozenten, Lehrbuchautoren, und so weiter. Es wäre äußerst mühsam, jede Alltagsweisheit zu hinterfragen und ihr auf den Grund gehen zu müssen, ganz zu schweigen von den ganzen modernen Errungenschaften um uns herum, deren grundlegenden Funktionsweisen wohl kein Mensch wirklich versteht. Universalgenie zu sein wird mit zunehmendem Wissen der Menschheit halt immer schwieriger ... Wir lernen überwiegend von Autoritäten, und das ist auch in Ordnung.

Schwierig wird es nur, wenn die angebliche Autorität das einzige ist, was die Hypothese stützt und sonst alles eigentlich gegen die Idee spricht. Eigenartigerweise tendieren gerade einige Nobelpreisträger, die zweifelsohne eine Autorität in ihrem Fach darstellen, dazu, bevorzugt im Greisenalter hanebüchene und teilweise schlicht idiotische Thesen zu vertreten.

Linus Pauling (Bildquelle)
Linus Pauling bekam 1954 den Nobelpreis in Chemie und dazu 1963 noch einen Friedensnobelpreis. Im fortgeschrittenen Alter verfiel er dem Glauben, mit Vitamin C könne man Krebs vorbeugen. Daraus enstand dann der Schwachsinn der orthokularen Medizin. Pauling ist sozusagen der Prototyp des am Nobelpreisidiotismus erkrankten Wissenschaftlers. Es gibt einige Berühmtheiten, die es ihm nachgemacht haben.

Peter Duesberg (Bildquelle)
Peter Duesberg etwa behauptet, das HI-Virus sei nicht die Ursache der Immunschwächekrankheit AIDS. Wer das heutzutage noch ernsthaft bezweifelt, kann, gelinde gesagt, nicht ganz bei Trost sein. Duesbergs Ideen haben mit Unterstützung durch den Vitaminpillendreher Matthias Rath in Südafrika beachtlichen Schaden angerichtet.
Kary Mullis (Bildquelle)
Kary Mullis, Chemie-Nobelpreisträger 1993, glaubt an Astrologie, bezweifelt einen menschlichen Einfluss auf die globale Klimaveränderung, und, wie es sich gehört, den Zusammenhang zwischen HIV und AIDS. 
Luc Montagnier (Bildquelle)

Luc Montagnier, Medizin-Nobelpreisträger 2008, ist ein ganz besonderer Fall. Er behauptet, homöopathisch verdünnte DNA-Fragmente könnten sich von einem Gefäß in das nächste teleportieren. (Hinter diesem Link verbirgt sich ein lesenswerter Artikel über Montagniers legendäre Publikation in einem exotischen Fachjournal, dessen Editorial Board Montagnier selbst vorsteht.) Außerdem seien Infektionserreger an Autismus schuld, und – Trommelwirbel – eine HIV-Infektion könne man mit einer Umstellung der Ernährung heilen.

Sowieso bräuchte man nur ein gesundes Immunsystem, Medikamente und Forschung an HIV-Impfstoffen wäre ja total überflüssig:



Das sollen die Giganten sein, auf deren Schultern wir stehen?

Man kann nur froh sein, dass Wissenschaft ein langfristig selbstkorrigierender Prozess ist und dass eben in erster Linie nicht Autoritäten, sondern vor allem gute Argumente und Belege zählen. Das ist zumindest die Idee. Ohne Frage, die Abgrenzung von Pseudowissenschaft fällt nicht immer leicht und Wissenschaftler sind auch nur Menschen, mit den ihren ganzen (menschlichen) Fehlern und den entsprechenden Verfälschungen, die in Forschungsvorhaben einfließen.

Im Fall der Homöopathie ist es allerdings recht eindeutig: unplausibel bis zum gehtnichtmehr, praktisch völlig unbelegt, und seit der Entwicklung durch Hahnemann vor 200 Jahren festgeschrieben in der Homöopathenbibel. Sehr schön zeigt sich das fehlende Wissenschaftsverständnis, wenn Homöopathen versuchen, sich mit echten Wissenschaftlern zu unterhalten. Edzard Ernst, britischer Professor für Alternativmedizin, argumentierte kürzlich in einem Leserbrief an ein Fachjournal, dass homöopathische Medizin auch in Abwesenheit eines spezifischen pharmakologischen Effekts nie ein ethisches Placebo sein kann:
[...] the prescription of homeopathic medicines is either not based on the best available evidence or it involves deception and suboptimal treatment. In both cases, it is in conflict with fundamental rules of medical ethics.
Paula Ross, ehemalige Chefin der britischen Gesellschaft der Homöopathen antwortet wiederum in einem anderen Brief:
Ernst argues that because homeopathic medicines are at ultramolecular dilutions, they cannot have a specific effect. In fact, this only precludes a biochemical mode of action; [...] in the 21st century with advances in biophysics it should not be too much of a stretch for any scientist to accept the possibility that a medicine might interact with the body energetically rather than chemically. Indeed, there is in vitro evidence to support such a hypothesis [Montagnier 2009] [...]
Wenn man schon versuchen muss, einen nicht existenten Effekt gerade mit den Spinnereien von Luc Montagnier zu belegen, muss man schon ziemlich verzweifelt sein ... Das „Wassergedächtnis“ ist offenbar schon zu abgenutzt, als dass darauf noch jemand hereinfallen würde.

Die armen Homöopathen haben mein volles Mitgefühl! Und die Nobelpreiserkrankten ebenfalls. Es muss schlimm sein, wenn man sich in seine eigenen Ideen so sehr verliebt, dass es einem unmöglich wird, sich von ihnen zu trennen.