Sonntag, 30. Mai 2010

Hakenkreuze auf dem Gartenpflaster

Wer macht denn sowas? Ist das nicht verfassungsrechtlich problematisch? Wie kann man gegen so etwas vorgehen? Oder bilde ich mir ein abgerundetes, linksdrehendes Hakenkreuz auf dem folgenden Foto nur ein?

Abgerundetes Hakenkreuz auf einer Hofeinfahrt irgendwo im Spreewald (2009)

Zum Vergleich mal das Symbol der antisemitisch-völkischen Thule-Gesellschaft, die in den 1920er Jahren enge personelle Kontakte mit der NSDAP hatte, jedenfalls auch mit abgerundetem Hakenkreuz:
Emblem der Thule-Gesellschaft. Quelle.

Verbindungen mit Ryke Geerd Hamers Germanischen Neuen Medizin?

Mir hat jemand gesteckt, dass es etwas mit dem lustigen Onkel Hamer zu tun haben soll. Kann ich aber weder bestätigen, noch widerlegen:

Der Ex-Arzt Ryke Geerd Hamer

Hamer, der schon in den Achtziger Jahren seine Approbation verlor, glaubt, dass Krebs aus inneren Konflikten entstehen würde und konventionelle Chemo- und Strahlentherapie der Krankheitsverlauf verschlimmern würden. Er hat als Gegenentwurf dazu eine eigene Behandlungsmethode entwickelt, die Germanische Neue Medizin (GNM), die als unwirksam erachtet wird. Krankheitsverläufe und Genesungen beruhten auf fünf „biologischen Gesetzmäßigkeiten“, die der Wissenschaft bislang entgangen seien bzw. verleugnet würden. Laut Hamer beschreibt die GNM ein „naturgesetzlich“ begründetes, diagnostisches und bedingt therapeutisches Prinzip. Die angebliche Heilung wird durch „Aktivierung der Selbstheilungskräfte“ erreicht. Seine Methodik umfasst demnach eine psychologische Lösung der zugrundeliegende „Konflikte“ und im Grunde das Nichtstun und Abwarten. Selbstverständlich ist nichts davon belegt oder auch nur ein einziger Fall von einer Heilung von Krebs durch Hamer dokumentiert. Hamer wollte mit diesem Thema habilitieren, was grandios scheitern musste.

Erstaunlicherweise glauben einige Verzweifelte seinen Müll und gehen dann allzuoft wegen fehlender wirksamer Behandlung an der Erkrankung zugrunde. Es gibt keine offiziellen Zahlen über die Opfer von Hamer, allerdings sind etwa 140 von ihnen auch medial bekannt geworden.

Hinzu kommt, dass Hamer ein flammender Antisemit ist und behauptet, die Jüdische Weltverschwörung hätte sich seine Methode unter den Nagel gerissen, um ihre Leute zu heilen und den Rest der Erdbevölkerung mit Chemie-Cocktails umzubringen. Er selbst sieht sich von der „jüdischen Schulmedizin“ verfolgt. Nicht zuletzt ist Hamer auch Anhänger verschiedener anderer Verschwörungtheorien: er schließt etwa nicht aus, dass sein jüngstes Opfer Susanne Rehklau über ein Chip-Implantat gezielt umgebracht wurde, wie er im deutschen Fernsehen verkündete:
Diese Chips werden eingesetzt und haben Giftkammern und sie können per Satellit ausgelöst werden.
HIV sei als Allergie anzusehen:
Der AIDS-Test ist lediglich ein Allergietest, der bei Mohammedanern und Juden nicht positiv werden kann, solange sie sich nur unter Beschnittenen, d.h. unter Menschen ohne Smegma bewegen. AIDS ist keine Krankheit, sondern nur ein harmloser Allergietest, der bewusst fälschlicherweise zur Krankheit erklärt worden ist.
Viren existierten nicht und Impfungen, insbesondere gegen die Grippe wäre sinnlos:
Vorgesehen ist in Wirklichkeit eine flächendeckende Chip-Implantation - das ist der Traum der Weltherrschaft. Dadurch hat man nicht nur die absolute Kontrolle über jeden Menschen, sondern man kann auch jeden missbeliebigen Ketzer oder Weltregimegegner per Knopfdruck eliminieren. Ich will das jetzt gar nicht weiter ausführen, aber man wird sich vielleicht noch erinnern, daß man bereits 2007 in Kurdistan, nahe der irakischen Grenze, eine flächendeckende Chipimpfung gemacht hat – unter dem Vorwand, es bestehe Vogelgrippe-Epidemie.
Hier vermischt sich Pseudomedizin, Esoterik und Antisemitismus auf das widerlichste. Der Mann ist gefährlich und mehrfach verurteilt. Momentan hält er sich wohl in Norwegen auf, von wo er auch Ferndiagnosen stellt.

Wer mehr über den kriminellen und antisemitischen Wunderheiler-Scharlatan Hamer und seine Germanische Neue Medizin wissen will, kann sich an folgenden Stellen belesen, von dort stammen auch obige Zitate:
(Durch einen Artikel von Florian Freistetter in Astrodictium Simplex wurde ich wieder an mein Foto erinnert. Bei Florian findet sich auch ein Beispiel für den teilweise sehr unkritischen Umgang der Medien mit Hamers wirren Theorien.)

Freitag, 28. Mai 2010

Nasentropfen mit Silbereiweißacetyltannat

Ich habe vor ein paar Monaten Nasentropfen für meinen verschnupften Sohn verschrieben bekommen, die den lustigen Namen „Rhinoguttae Argenti diacetylotannici proteinici 3% SR Nasentropfen“ tragen. Also kolloidales Silber, kombiniert mit Tannin (eine adstringierende Substanz).

Schnupfen? Quelle: lenifuzhead auf flickr. CC-BY-ND


Gibt es eine Wirkung und wie ist deren Mechanismus?
Die Wirkung beruht auf dem sog. oligodynamischen Effekt oder der Oligodynamie, womit die schädigende Wirkung kleinster Mengen an Metall-Kationen auf lebende Zellen beschrieben wird. Der Stoffwechsel vieler Bakterien ist hochempfindlich gegen Silberionen, die Gefahr für menschliche Zellen bleibt damit u.U. relativ gering. Dabei reagieren verschiedene Bakterienarten höchst unterschiedlich auf das Silber, es existieren auch silberresistente Arten. Den antiviralen Effekt kann man vergessen.[1]

Eignung und Risiken

Die Stiftung Warentest hat im Heft 4/2010 verschiedene verschreibungsfreie Schnupfenmittel untersucht, das o.g. Präparat fiel glatt durch, weil die therapeutische Wirkung klinisch nicht bestätigt ist. Dazu kommt, dass sich Silber im Körper anreichert. Deshalb soll man das o.g. Mittel nicht über längere Zeit anwenden, denn die Risiken sind erheblich.[2] Dieser Mann hier (YouTube-Video) hat blaue Haut durch die Einnahme von kolloidalem Silber. Daneben sind Geruchsempfindlichkeit, Geschmacksstörungen und zerebrale Krampfanfälle beschrieben. All das sollte aber bei einer kurzfristigen Anwendung der Nasentropfen nicht gegeben sein.

Fazit

Ich hatte selbst nie dass Gefühl, dass die tiefbraunen Tropfen etwas bewirken. Durch die adstringierende Wirkung hat man ein komisches Gefühl in der Nase, das wars dann auch schon. Der Nutzen ist unbelegt und es gibt immer ein gewisses Risiko, nicht nur direkt durch die Silbertoxizität, sondern auch über mikrobielle Kontamination und Überempfindlichkeitsreaktionen.

In meiner Nutzen-Risiko-Bewertung fällt das Zeug also durch.

Anmerkungen

[1]Rezepturformularium der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände: Rezepturhinweise: Silberverbindungen, kolloidal lösliche

[2] Fung, MC und Bowen, DL (1996): Silver products for medical indications: risk-benefit assessment. In J Toxicol Clin Toxicol 34(1), S. 119-26.

Donnerstag, 27. Mai 2010

Getreideschwarzrost in Südafrika gefunden

NatureNews berichtet, dass der Getreideschwarzrost Ug99, der die weltweiten Weizenbestände bedroht, in Südafrika gefunden wurde. Hier habe ich über das Thema geschrieben und einen ausführlichen WIRED-Artikel verlinkt. Der Pilz könnte nun mit dem Wind von Südafrika in den nahen Osten und Südasien reisen. Ug99 ist zudem noch weiter mutiert und virulenter als der ursprüngliche Stamm. Von den 50 Resistenzen, die in den modernen Weizensorten vorliegen, kann der neue Pilz mit all seinen neuen genetischen Varianten 32 überwinden.

Nature News (26.Mai 2010): Virulent wheat fungus invades South Africa.

Stiftung Warentest untersuchte Bio-Lebensmittel

Im Deutschlandfunk findet sich eine Meldung zu einer achtjährigen Untersuchung von Bio-Lebensmitteln, die meinen Artikel zu Gesundheitseffekten von Biolebensmitteln unterstützt und ergänzt. Denn es wurden kaum Vorteile der etwa 30% teureren Bio-Produkte festgestellt.

Hier findet sich das Transkript der Sendung, die man sich hier auch anhören kann. Das wichtigste zusammengefasst: Biolebensmittel sind meist pestizidfrei, konventionelle überschreiten die Grenzwerte meist nicht, hieraus ergibt sich somit kein Gesundheitsvorteil. Dagegen ist Bio-Essen öfter mikrobiell belastet und enthält auch den natürlichen Aromastoff/Schadstoff Cumarin. Es gibt keinen Mehrwert hinsichtlich bioaktiver Pflanzenstoffe, Geschmack und Nährstoffgehalt ist sogar oft schlechter als in konventionell erzeugten Lebensmitteln

Was bleibt? Mit dem Aufpreis investiert man in ökologische, nachhaltige und tiergerechte Landwirtschaft.

Weiterführende Links

Zur Meldung: Dieter Nürnberger vom Deutschlandfunk (27.05.2010): Bionahrung und konventionelle Lebensmittel im Vergleich. (Transkript, Audio als MP3)


Stiftung Warentest: Qualität von Biolebensmitteln - Die Bilanz aus 85 Tests. Test 06/2010

(Danke, Susi!)

Mittwoch, 26. Mai 2010

Penn and Teller: Die Wahrheit über Flaschenwasser

In den USA ist Wasser aus Flaschen ein ziemlich neues Phänomen. Das Komikerduo Penn & Teller bezieht in ihrer Bullshit!-Reihe ziemlich eindeutig Stellung zum Thema, denn im Allgemeinen hat das Flaschenwasser gegenüber dem Leitungswasser keinen geschmacklichen oder sonstigen Vorteil. Es ist nur viel teurer, wird behördlich weniger streng kontrolliert, ist öfter mikrobiell belastet und manchmal nur umetikettiertes Leitngswasser.

Penn&Teller: Bullshit! The Truth About Bottled Water (YouTube).

Naturköstliches Pirin-Quellwasser aus Bulgarien. In PET-Flaschen!

Letztens stieß ich vor der BioCompany in Berlin-Friedrichshain auf einen Stand von Michael Tag, der für das Mineralwasser Pirin warb. Dieses Wasser ist angeblich besonders rein und natürlich, sehr mineralarm, und entspricht sogar „den physiologischen Anforderungen einer ganzheitlichen Ernährungslehre und Heilkunde“ – das entspricht bei Hardcore-Homöopathen wahrscheinlich einem Kaufbefehl. Den Haken, den ich sehe: Pirin wird äußerst unökologisch aus Bulgarien geliefert und zudem in PET-Plastikflaschen abgefüllt.[1]

Es wird betont, dass Pirin im Gegensatz zum Leitungswasser frei von diversen Rückständen und Schadstoffen ist. Einen Nachweis dafür bleibt man indes schuldig, der Nitrat-Wert muss als Indikator herhalten. Rückstände von Pestiziden, Arzneimitteln und Hormonen werden in der Tat durch verbesserte Analysetechniken seit den 90er Jahren vermehrt im Trinkwasser festgestellt, jedoch sind die Konzentrationen so gering, dass keine gesundheitlichen Effekte zu erwarten sind.[2] Gerade aber der stetig steigende Eintrag von Arzneimitteln ist aber auch ein Thema, das zu recht in die Diskussion geraten ist und ein Problem, dem zukünftig etwa durch technologische Aufrüstung der Kläranlagen begegnet wird. Gerade die Ökotoxizität ist ein reales Problem. So wurde etwa berichtet, dass Fische ihr Geschlecht umgekehrt haben, womöglich weil sie an Klärwerksausleitungen synthetischen Hormonen exponiert waren.[3] In der Umwelt können geringe Konzentrationen von Arzneimitteln schon starke Effekte bewirken. Das ist aber kein Grund, auf das Trinken von Leitungswasser zu verzichten. Die Konzentrationen der Wirkstoffe sind im Allgemeinen weit unter der pharmakologischen Wirkschwelle, weshalb für den Menschen keine gesundheitliche Gefährdung besteht.

Zu der Rückstands-Panikmache gesellt sich dann handfester pseudowissenschaftlicher Müll: in verlinkten YouTube-Videos, etwa zu DEIGM-Symposien, wird von „informiertem Wasser“, Wassergedächtnis, und Verwirbelungen zur Löschung der Wasserinformationen referiert. Es wird mehrfach der Eindruck erweckt, dass das normale Leitungswasser dem Mineralwasser qualitativ weit unterlegen sei, oder sogar schädlich ist.

Unser Trinkwasser, eine Kloake? Bild von Birkenzweig, CC-BY-NC-ND.

Einerseits legt man so viel wert darauf, schadstofffreies Wasser zu liefern und dann füllt man es in Plastikflaschen? Einweg-PET-Flaschen? Aus PET können potentiell schädliches Antimon, Acetaldehyd und Phthalat-Monomere auslaugen, die sich dann im Wasser wiederfinden. Die Konzentrationen dieser Schadstoffe scheinen aber wiederum zu gering zu sein, um schädlich zu sein. Das wird auf der Website  mit toxikologischen Grenzwerten und Informationen vom BfR begründet, was auch vernünftig ist. Trotzdem ist die Thematik um „endokrine Disruptoren“ aus Kunststoffverpackungen ein vieldiskutiertes Thema. Der Aufsatz von Martin Wagner (2008) hat für einigen Wirbel gesorgt, als er hormonähnliche Wirkungen von PET-Flaschen in vitro nachweisen konnte. Die Ergebnisse wurden in der Folge lebhaft diskutiert (z.B. hier oder hier).

Riecht das Ganze nicht nach Doppelmoral? Die bösen Rückstände aus dem Grundwasser in Mitteleuropa sind unbedingt zu vermeiden und man soll doch unbedingt das teure Pirin-Wasser aus Bulgarien kaufen. Die Schadstoffe aus den Plastikwasserflaschen und deren schädliche Gedächtnisabdrücke und „schlechte Schwingungen“ sind aber vernachlässigbar?

Muss ich das verstehen?

Anmerkungen

[1] aber „CO2-neutral“. Pfft.
[2] Bayerisches Landesamt für Umwelt (2008): „Arzneistoffe in der Umwelt“.
[3] Bayerisches Landesamt für Umwelt (2008): „Umweltchemikalien mit hormoneller Wirkung“.

Freitag, 21. Mai 2010

Replikation, Transkription und Translation in Echtzeit – Animationen von Drew Berry

Die folgende Animation von Drew Berry hat mich vom Hocker gerissen. Die molekularen Vorgänge (z. B. DNA-Aufwicklung auf Histone, Replikation, Transkription und Translation) sind in Echtzeit dargestellt, sodass man ein Gefühl bekommt, wie schnell oder langsam der jeweilige Prozess eigentlich ist. Die thermische Bewegung der Moleküle, die in diesen Größenbereichen auftritt, ist eindrucksvollerweise mal nicht vernachlässigt worden und lässt die molekularen Maschinen fast echt wirken. Anders also als die üblichen statischen Animationen, die oft sehr vereinfachend (und langweilig) sind.

Hier auf der WEHI-Website gibts eine höheraufgelöste Version zum Download (102 MB).

Die Animation wurde 2003 für Kunst- und Museums-Ausstellungen erstellt, das Zielpublikum muss also nicht notwendigerweise einen naturwissenschaftlichen Hintergrund haben. Die Bilder schaffen es aber, dieses Spezialwissen, was man schon zum Schaffen der Animation benötigt, anschaulich und irgendwie „fassbar“ zu transportieren.

Drew Berry arbeitet am Walter and Eliza Hall Institute of Medical Research (WEHI) als Animator. Dort auf WEHI-TV kann man sich noch mehr seiner Animationen ansehen.

Donnerstag, 20. Mai 2010

Selbstmordversuch mit Homöopathika

Mit Traumeel kann man (fast) keinen Selbstmord begehen. Wer hätte das gedacht? Sehr wahrscheinlich ist es einfacher, sich mit Kuhmist umzubringen, als mit Zuckerpillen, in denen nichts drin ist. Homöopathie ist Zauberei.

Homöopathischer Kaffee: Zucker. Quelle: squacco auf flickr, CC-BY-SA

Mittwoch, 19. Mai 2010

Oxidate It Or Love It / Electron to the Next One

Aus den Kommentaren:
Fourseasonskid4: the coolest shit ever.


via

Dienstag, 18. Mai 2010

David Goodsell, Molekül-Künstler und Wissenschaftler

Wer seine Arbeiten noch nicht kennt, hat bisher etwas verpasst. David Goodsell, Professor für Molekularbiologie, ist seit zehn Jahren Autor des „Molecule of the Month“ der Protein Data Base (PDB), in der monatlich Proteinstrukturen vorgestellt und vor allem visualisiert werden. Das Besondere ist neben der augenscheinlichen Schönheit die Plastizität der überhaupt nicht fotorealistischen Bilder:

Tabakmosaikvirus, MOTM 01/2009


Wie sieht es in einer E.-coli-Zelle aus? Große Version hier.

Warum sehen die Bilder so gut aus? Goodsell verwendet Umrisse für die Moleküle, die abhängig vom Abstand zum nächsten Molekül unterschiedlich dick sind. Durch diese Maßnahme wird die Räumlichkeit verstärkt. Hört sich kompliziert an, ist es aber gar nicht. Dazu kommt eine diffuse Beleuchtung (ambient occlusion) statt der sonst üblichen punktförmigen Lichtquellen – dadurch werden besonders Vertiefungen und Taschen in Proteinen besser sichtbar.

Er verwendet für die Grafiken ein altes FORTRAN-Programm, das er während seiner Doktorarbeit geschrieben hat. „Ein bisschen wie ein Dinosaurier, leider ohne Dokumentation und schwer zu bedienen“ gestand er mir in einer Mail. Öffentlich erhältlich ist sein Programm also leider nicht. Ähnliche Techniken verwendet QuteMol, was ebenfalls hervorragende Visualisierungen ausspuckt. Aber es sieht überhaupt nicht wie Goodsells Grafiken aus. Mit VMD kann man allerdings in der neuesten Version mit etwas Überredung schöne Grafiken im Goodsell-Stil herstellen: Tutorial, VMD outline rendering style

Ich habe auch in meinem Ribosom-Artikel Bilder von Goodsell verwendet.

Goodsells Website, Buch „The Machinery of Life“ (21€) und Poster einer menschlichen Zelle (65$).

Kinofilme als Kinderbuch

Großartig. Ein Kinderbuch, angelehnt an die traditionsreiche Golden-Books-Reihe, aber mit Szenen aus bekannten Kinofilm-Klassikern! Der Autor Josh Cooley arbeitet bei Pixar.

Leon der Profi, von Josh Cooley

Mehr hier direkt bei Josh Cooley oder unten bei Kotaku.

via kotaku

Samstag, 15. Mai 2010

Was man nicht in der Schule lernt: Das Ribosom ist kein Protein

Entgegen landläufiger Meinung ist das Ribosom kein Protein, sondern ein Komplex aus vielen Proteinen und viel, viel RNA.  Ganze zwei Drittel des Komplexes bestehen aus Nukleinsäuren! Die kataytischen Zentren des Ribosoms werden ebenfalls durch RNA gestellt. Eine enzymatische Aktivität von RNA ist keine Seltenheit, es gibt eine große Anzahl bekannter Ribozyme. Man kann spekulieren, dass die frühesten Lebensformen auf RNA basierten, und die Proteine erst viel später dazu kamen. Ein entsprechendes Denkmodell nennt sich „RNA-Welt-Hypothese“, näheres erfährt man hier.

Grafik eines bakteriellen Ribosoms: die lachsfarbenen Bereiche repräsentieren Nukleinsäuren, während Proteine lila dargestellt sind.  Nähres dazu gibt es im zugehörigen Wikipedia-ArtikelBild vom großartigen David Goodsell.

In Eukaryoten werden die Gene für die ribosomale RNA (rRNA) auf der DNA in vielen Kopien im Bereich der Telomere des Chromosoms abgelegt. Hier sind sie nach erfolgter Mitose schnell verfügbar. In der Interphasezelle ist werden Ribosome im Nucleolus transkribiert und assembliert, einem kleinen Bereich innerhalb des Zellkerns. Das Ablesen der Gene erfolgt durch die RNA-Polymerasen I und III,  wogegen RNA-Polymerase II für proteinkodierende Gene zuständig ist.

RNA-Polymerase bei der Arbeit: gerade von oben nach unten ist die lineare, doppelsträngige DNA zu sehen, links unten sieht man den RNA-Strang, der sich zu einer Sekundärstruktur faltet. Bild von David Goodsell.

Alles in allem also ein spannendes Thema, über das der Laie viel zu wenig erfährt.

Dieser Blogeintrag wurde inspiriert durch Enkapsis.

Mittwoch, 12. Mai 2010



Kreationismus

Milliarden Jahre plus Selektion? Unmöglich.
Sechs Tage plus bärtiger Zauberer? JA!

via

Freitag, 7. Mai 2010

Wir sind ein Staubkorn im Universum

Folgendes habe ich bei Florian gefunden: Ein Animations-Video, in dem bekannte Himmelskörper im Größenvergleich zu sehen sind.



Die deutschen Namen der im Video vorkommenden Objekte, Sterne mit Links zur Wikipedia:
VY Canis Majoris ist mit einem Radius 2000-mal größer als der unserer Sonne, also wahnsinnig groß: 5 Milliarden Kilometer Durchmesser. Wir haben gerade mal 150 Millionen Kilometer Abstand zur Sonne. Wäre dieser größte bekannte Stern unsere Sonne, würde er den größten Teil des Systems für sich beanspruchen, gerade einmal die Umlaufbahn des Uranus läge noch außerhalb seiner Atmosphäre. Aber auch die kleineren Sterne aus der Reihe sind im Vergleich zur Sonne noch sehr groß:
Rigel (blau, oben links) und Aldebaran (rot, oben rechts)
im Größenvergleich mit Gamma Orionis, Algol B und der Sonne,
 Quelle: Wikimedia Commons
Dabei ist das ein Witz, wenn man bedenkt, wie groß dagegen Galaxien sind, und die sind selbst nur Staubkörner im All.  Es gibt ein schönes Photo, das von der Sonde Voyager 1 aufgenommen wurde und die Erde jenseits der Pluto-Umlaufbahn zeigt. Es ist ein winziger Punkt, etwa ein zehntel eines Pixels groß. Carl Sagan benannte sein Buch von 1994 nach dieser Aufnahme – pale blue dot (blassblauer Punkt).

nachbearbeitete Version des Bildes, Position der Erde ist eingekreist
(Quelle: Wikipedia, eigtl. NASA)
Carl Sagan dazu 1996:
From this distant vantage point, the Earth might not seem of particular interest. But for us, it's different. Consider again that dot. That's here, that's home, that's us. On it everyone you love, everyone you know, everyone you ever heard of, every human being who ever was, lived out their lives. [...] The Earth is the only world known so far to harbor life. There is nowhere else, at least in the near future, to which our species could migrate. Visit, yes. Settle, not yet. Like it or not, for the moment the Earth is where we make our stand.

Donnerstag, 6. Mai 2010

Masern: ein vermeidbares Gesundheitsrisiko

Das Masernvirus verursacht eine Erkrankung, die vor allem Kinder betrifft. Neben den bekannten roten Hautflecken, Fieber und allgemein eher harmlosen Symptomen kann es auch zu Komplikationen kommen: Hirnentzündung  (Enzephalitis), Hirnhautentzündung (Meningitis), Lungenentzündung (Pneumonie). Diese schweren Krankheitsverläufe können tödlich sein, weshalb es erklärtes Ziel der WHO ist, den Erreger auszurotten. Masern gibt es nur beim Menschen, weshalb diese Vision realistisch ist – bei den Pocken haben wir es auch geschafft.

Ein Junge in Kongo bekommt eine Masernimpfung, Julien Harneis, CC-BY-SA 2.0

Die einzige Möglichkeit für eine Bekämpfung der hoch ansteckenden Infektionskrankheit besteht in der Impfung. Es besteht nur ein Serotyp des Erregers, d.h. die Oberflächenmerkmale sind gleich, sodass ein sehr gut wirksamer Impfstoff entwickelt werden konnte. Eine hohe Durchimpfungsrate in Bevölkerung ist äußerst wichtig, damit etwa krankheits- oder altersbedingt ungeimpfte Personen durch diese „Herdenimmunität“ auch mitgeschützt sind. Das ist der Grund, weshalb ich meine, dass Impfen nie eine Individualentscheidung ist.

Gerade im Entwicklungsländern kommt es bei lokalen Masernepidemien mit hohen Erkrankungszahlen durch vergleichsweise schlechtere hygienische Bedingungen zu hohen Sterblichkeitszahlen, besonders durch Lungenkomplikationen. Der Erfolg der globalen Masernbekämpfung ist jedoch bemerkenswert: die weltweite Durchimpfungsrate stieg von 72% auf 83% im Zeitraum 2000-2008. Im selben Zeitraum sind deshalb die tödlichen Krankheitsverläufe um 78% zurückgegangen.[1] Lokal hat man durch Impfkampagnen die Todesrate sogar um beeindruckende 90% senken können.[2]

Auch wenn in Deutschland die Durchimpfungsrate stetig ansteigt[3], könnte die Situation besser sein. 2005 kam es zu zwei großen Ausbrüchen (Hessen, 223 Erkrankungsfälle und Oberbayern, 110 Fälle), dann in 2007 noch einmal. 2006 erkrankten in NRW 1.700 Personen. Es gab zwei Todesfälle: ein Säugling starb ungeimpft, weil er zu jung für die Impfung war. Ein weiteres Kind musste sterben, weil es wegen eines Immundefektes nicht geimpft werden konnte.[6] Hier zeigt sich, dass der „Herdenschutz“ immanent wichtig ist. Auch in Österreich gibt es ab und zu Ausbrüche mit mehreren hundert Erkrankten. In der Schweiz und in den Niederlanden ist die Situation vergleichsweise übel, denn es gab hier Ausbrüche mit mehreren Tausend Erkrankungen.[4]

Länder mit hohen Durchimpfungsraten zeigen, wie es sein sollte: In Finnland gab es seit 1996 nur vier importierte Krankheitsfälle. Auch in Amerika gilt die Krankheit quasi als ausgerottet.[4] Zu Zeiten der Fußball-WM 2006 wurden amerikanische Deutschland-Reisende vor einem Masernrisiko gewarnt.[5]

Anlass für diesen Beitrag ist die lesenswerte Pressemitteilung des Robert-Koch-Institutes vom 26. April 2010, die verdeutlicht, weshalb eine Impfung auch in Deutschland wichtig ist:
In Deutschland erkrankten in den ersten 15 Wochen des Jahres 2010 bereits 219 Personen an Masern, von denen 35 im Krankenhaus behandelt werden mussten. „Das erinnert daran, dass Masern keine harmlose Kinderkrankheit sind und die Schutzmöglichkeit durch die Impfung genutzt werden sollte“, sagt Reinhard Burger, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts, anlässlich der Europäischen Impfwoche vom 24.4. bis 1.5.2010.

Dort steht auch, dass es aus Hamburg sogar einen Exportfall nach Bulgarien gab, wo in der Folge 14.000 Menschen erkrankten und 18 Patienten starben.

Zum Schluss will ich noch auf die üblichen Verdächtigen hinweisen, die trotz überwältigender Impf-Erfolge Angst in der Bevölkerung streuen. Andrew Wakefield, jener britische Arzt, der fälschlicherweise die Masern-Mumps-Röteln-Impfung mit Autismus in Verbindung brachte und weltweit für Verunsicherung sorgte, wird gut in diesem FAZ-Artikel abgedeckt. Unbedingt lesen! Als zweites wäre wohl Hans Tolzin zu nennen, der sich selbst als undogmatischen Journalisten sieht und die monatlich erscheinende Anti-Impfpropagande „Impf-Report“ herausgibt. Seine Rechercheergebnisse sind erwartungsgemäß wenig evidenzbasiert, ein Leckerbissen ist dieses Video zur H1N1-Influenza-Impfung, wo er seine Unwissenheit herzeigt. Tolzin und alle anderen Impfgegner beziehen sich auf den widersprüchlichen geistigen Dünnschiss („Impfungen sind wirkungslos und nützen nur der Pharmaindustrie“) von Gerhard Buchwald, den er in einigen Büchern veröffentlichte, der aber keiner noch so oberflächlichen Prüfung standhält. Der Mann behauptete ernsthaft, die Infektionskrankheiten wären durch verbessere Hygiene und Zugang zu frischem Wasser so stark zurückgegangen! Auch wenn der Wohlstand sicher ein wichtiger Faktor ist, kann diese These etwa nicht erklären, weshalb Kontinentaleuropa inzwischen durch den Einsatz von Impfködern tollwutfrei ist. Haben die Füchse angefangen, sich die Pfoten zu waschen?

Einzelnachweise und Links:

[1] WHO-Website zu Masern („Factsheet“)

[2] Konkret in der  Eastern Mediterranean region, die Afghanistan, Pakistan, Somalia, and Sudan umfasst, wo die Todeszahlen von 96.000 auf 10.000 gesenkt wurden. Näheres hier in dieser WHO-Pressemitteilung (2008): „Global measles deaths drop by 74%

[3] C. Meyer, S. Reiter (2004): „Impfgegner und Impfskeptiker – Geschichte, Hintergründe, Thesen, Umgang“ in: Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 47 S.1182–1188.
Robert Koch-Institut, Berlin.  DOI 10.1007/s00103-004-0953-x

[4] Seite „Masern“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 8. April 2010, 01:00 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Masern&oldid=72875800 (Abgerufen: 6. Mai 2010, 08:04 UTC)

[5] Ärztezeitung, 06.06. 2006: „Speziell zur WM: Reisewarnung wegen Masern“.

[6] Pressemitteilung des Robert-Koch-Institutes vom 26. April 2010: „Masern sind ein vermeidbares Gesundheitsrisiko