Montag, 27. Dezember 2010

Alternative zu Weihnachten: Newtonmas

Isaac Newton wurde am 25. Dezember 1642 geboren. Damit haben alle Atheisten eine hervorragende Rechtfertigung für das Feiern von Weihnachten, das nebenbei bemerkt überhaupt keine biblisch, geschichtlich oder sonstwie gestützte religiöse Grundlage hat.

Und weil ich bzw. mein Verdauungstrakt dieses Jahr genug haben von Fleisch zum Frühstück, Mittag und Abendbrot, schlage ich halbvegetarische Newtonmas 2011 vor: Ein großes Porträt von Newton wird aufgehängt, und am „Heiligabend“ gibts dann grünen Salat mit kandierten Speckstreifen, Knoblauchcroutons und exotischen Früchten.

Das wird ein Fest! :)

Samstag, 11. Dezember 2010

„Photosynthesis“ - ein Cartoon über Photosynthese von Jay Hosler

Jay Hosler macht drüben bei „Drawing Flies“ herzallerliebste Cartoons zu wissenschaftlichen Themen und wünscht sich zu seiner neuesten Serie „Photosynthesis“ ein wenig Input. Momentan endet die Geschichte beim Elektronenübergang zum membrangängigen Plastochinon, die Elektronentransportkette beginnt also erst und die Generation von ATP aus dem Protonengradienten steht noch aus.

Geht rüber und schreibt ihm, was ihr über die Cartoons denkt und was ihr euch für die folgenden Teile wünscht! Gibt es etwas, was nicht fehlen darf?

Donnerstag, 2. Dezember 2010

Auf dem Präsentierteller: Wie Virenbefall vom Immunsystem erkannt wird

Doch wieder ein Doppelpost! Bitte hier kommentieren.

Kürzlich habe ich mich entschieden, den Pflanzen und der Photosynthese den Rücken zu kehren und bin nun in der Strukturbiologie bzw. Immunologie gelandet. Ich werde mit einem Thema promovieren, dass die Struktur eines immunologisch wichtigen Proteinkomplexes betrifft, und gebe hier ein paar einführende Informationen zum Thema.


Donnerstag, 4. November 2010

Doppelposts sind doof; Dreingabe: Terroristen-, Jungfrauen- und Religionsvideo

Also, falls hier noch wer mitliest: Ich werde nicht mehr hier und zusätzlich in meinem Zweitblog „Detritus“ Wissenlogs Beiträge doppelt posten.


(Da das dortige Blogsystem „LifeType“ aber unerträglich hässlich und umständlich ist, schreibe ich alle Beiträge zuerst im Texteditor vor, mache Bilder und Links im Blogger-Editor fertig und kopiere dann den Quelltext in das LifeType-Interface. Damit sind alle Artikel also auch irgendwie hier doppelt drin. Aber doppelt korrigieren macht keinen Spaß. Egal.)

Jeder, der hier regelmäßig mitliest, ist eingeladen, „Detritus“ weiter zu verfolgen und hiesigen Quatsch trotzdem zu lesen.

Wie zum Beispiel: Erst heute bin ich beim Feuerbringer auf ein Video von gestoßen worden: Sasha Baron Cohen (Ali G., Borat) berichtet bei Letterman, wie er ein Interview mit einem echten Terroristen organisiert hat:



Da fehlt nur noch Tim Minchin mit „Ten Foot Cock and A Few Hundred Virgins“:


Mittwoch, 20. Oktober 2010

Sammelsurium der letzten Wochen: Links, Videos, Buchempfehlung

Mit Twitter hab ich ein prima Ventil gefunden, um Links und Standpunkte zu den typischen Themen häppchenweise zu verarbeiten. Deshalb ist es hier und drüben auf Detritus gerade ziemlich ruhig ...

Hier gibts noch mal die interessantesten Links der letzten Wochen gesammelt, Detritus ist mir zu schade dafür, ich will das andererseits den nicht-Twitterern nicht vorenthalten:

Martin Bäker hat eine dreiteilige Serie über „Das Teilchen, das es nicht gab“ gemacht.
Vor 25 Jahren entdeckte der Physiker J.J. Simpson bei der Untersuchung von radioaktivem Tritium Hinweise auf ein vollkommen neues und in den Theorien absolut unerwartetes Elementarteilchen, das als 17-keV-Neutrino bekannt wurde. [...] In diesem Eintrag will ich die Geschichte dieses Teilchens erzählen - sie ist nicht nur ein interessantes Stück Physikgeschichte, sondern wirft auch ein interessantes Licht auf die Stärken und Schwächen des Wissenschaftsbetriebs.
Für nicht-Physiker streckenweise vielleicht etwas technisch, macht aber nichts, ist trotzdem interessant. Sein Fazit aus der Geschichte bestärkt im Übrigen meine Auffassung der wissenschaftlichen Praxis ... Aber lest selbst: Teil 1, Teil 2 und Teil 3.

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Anastasia Bodnar hat auf Biofortified einen sehr umfangreichen Hintergrundartikel zu dem gentechnisch veränderten Lachs Aquantage geschrieben, der ein Gen für ein Wachstumshormon aus einer verwandten Fischart trägt und damit etwa doppelt so schnell sein Endgewicht erreicht. Ich hab noch keine Zeit gehabt, den Beitrag zuende zu lesen, ich kann aber sagen, dass es die umfassendste Darstellung ist, auf die ich bislang getroffen bin: „Risk assessment and mitigation of AquAdvantage salmon“ auf Biofortified.org.

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Auf Sciencebasedmedicine.org habe ich eine Buchempfehlung zu „The Moral Landscape – How Science Can Determine Human Values“ von Sam Harris gelesen, dazu noch einen hochgradig amüsanten Kommentar auf einen  Kommentar bei Why Evolution Is True über Twitter mitbekommen, sodass ich jetzt angefangen habe, das Buch zu lesen. Worum geht's? Wissenschaft ist laut Harris die Methode der Wahl, um Werte zu bestimmen, denn:
you’ll realize that moral judgments should always be about people’s well-being—that no other criterion makes sense. [...] Harris also suggests that neurophysiology and brain studies can help us determine what “well being” is on a neuronal level, how people make moral judgments, and whether those judgments arise in the part of the brain that also assesses empirical “truth.”  And, of course, he suggests that science—broadly construed as “empirical study”—can help figure out what promotes or does not promote well being. 
Zumindest auf den ersten Seiten sehr überzeugend. Amazon-Link (ich verdiene nix an nem Klick).

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Dann bin ich noch auf John Ioannidis gestoßen, der vorrechnet, dass der Großteil der publizierten Forschung Bullshit ist: „Lies, Damned Lies and Medical Science“. Damit muss man, wie Steven Goodall, nicht absolut übereinstimmen, aber Ioannidis spricht einige Kernprobleme an, mit denen Studien vor allem im medizinischen Bereich zu kämpfen haben.

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Florian Freistetter hat vor einiger Zeit ein witziges Video gepostet, in denen Kornkreisspinner sich selbst täuschen. Sie halten nämlich einen Kornkreis, der für die Sendung „Quite Interesting“ angelegt wurde, für ein außerirdisches Relikt. Haha! Hier nochmal das Video, ansonsten ist Florians Kommentar dazu aber auch lesenswert.



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Ein Vortrag von Sir Ken Robinson, den man sicher von seinen zwei absolut sehenswerten, weil überzeugenden (und witzigen) TED-Talks (1, 2) kennt, wurde von RSA animiert:



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Zu guter Letzt noch ein Video von dem sowieso immer sehenswerten C0nc0rdance auf YouTube, diesmal geht es um abschmelzende Polkappen:



Viel Spaß!

Montag, 11. Oktober 2010

Krankheitserreger mit Spritzen

Dieser Beitrag wird parallel in den Wissenlogs gepostet, bitte dort kommentieren!

Viele pathogene Bakterien produzieren Virulenzfaktoren. Das sind Moleküle, die die Wirtszellen manipulieren, um so zum Beispiel das Immunsystem auszutricksen oder eine Aufnahme des Bakteriums in die Wirtszellen zu veranlassen. Einige Bakterien, darunter die Erreger von Ruhr (Shigella), Pest (Yersinia) und Typhus (Salmonella), haben ein erstaunliches System entwickelt, um diese Moleküle in die Wirtszelle zu bekommen: sie injizieren sie mit Hilfe einer Nano-Spritze direkt in die Wirtszellen.

Freitag, 1. Oktober 2010

Ist die Banane noch zu retten?

Beitrag zum Blogkarneval mit dem Thema „Bedrohte Arten“ von Sören Schewe. Er wird parallel in den Wissenlogs gepostet, bitte dort kommentieren!


Die Verfügbarkeit des Deutschen zweitliebsten Obstes, der Banane, könnte in ein paar Jahren keine Selbstverständlichkeit mehr sein, denn die Pflanze wird in den Erzeugerländern von desaströsen Krankheiten heimgesucht. Die Kultivierung von Bananen in der derzeitigen Form steht vor dem Aus. In vielleicht 10 oder 20 Jahren wird man viele der heute verwendeten Bananensorten nicht mehr anbauen können. Die Suche nach einem Ersatz verlief bislang erfolglos.

Donnerstag, 30. September 2010

Beda Stadler über Gentechnologie (Video)

Dieser Beitrag wird parallel auch auf den Wissenlogs erscheinen. Bitte dort kommentieren!

Dieser Eintrag ist schamlos aus dem Esowatch-Blog geklaut, die es von Achter haben: Ein einstündiger Vortrag von Beda Stadler, den er am 17. Mai vor den schweizer Freidenkern gehalten hat. Ihr erinnert euch, das ist der Typ, der schon bei der skandalösen „Hart, aber Fair“-Sendung gegenüber dem Wundermittel Regividerm sehr ordentlichen Tacheles geredet hat.



Dienstag, 28. September 2010

Anti-Propaganda und Aufklärungsartikel zu „Am Anfang war das Licht“

Der österreichische Filmemacher Peter Arthur Straubinger hat einen wissenschaftlich zweifelhaften Film über Lichtnahrung (Trailer hier) verbrochen. Die Inhalte sind eigentlich altbekannt: Irgendwelche geistig besonders hochwertigen Menschen ernähren sich nur noch von Licht und müssen weder Wasser, noch Nahrung zu sich nehmen.

Zum Thema ist eigentlich schon alles gesagt, sollte man denken, sind Menschen doch keine Pflanzen. Außer ein paar Schwämmen, vielleicht den Salamander-Embryos und den „Solarschnecken“ wie Elysia chlorotica kann sich kein Tier von Licht ernähren, und selbst die brauchen Chloroplasten dafür. Lichtnahrung ist Hokuspokus. Braucht die Welt wirklich einen naiven, anti-aufklärerischen Film darüber? Ein Film, der sogar in die Kinos kommt und damit sicher auch leichtgläubige Menschen erreicht, und damit Todesfälle durch Fasten provoziert, wie es in den neunziger Jahren schon geschehen ist?


Dienstag, 21. September 2010

Sind die Bedenken gegenüber der grünen Gentechnik übertrieben?

Dieser Beitrag wird parallel auf den Wissenlogs veröffentlicht. Bitte dort kommentieren!

 Grüne Gentechnik ist ein Streitthema, das habe ich auch an den Reaktionen auf meine Polemik gegen die Gentech-Politik von Greenpeace wieder gemerkt. Ich bin kein Experte für das Thema, obwohl ich fast ein Jahr am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie gearbeitet habe – ich habe selbst nicht die transgenen Tabakpflanzen erzeugt, mit denen ich gearbeitet habe. Das alles hält mich aber nicht davon ab, mir eine Meinung zum Thema zu bilden und die hier reinzuschreiben. Ich versuche, diese möglichst gut zu begründen. Falls jemand etwas an meinen Gedankengängen auszusetzen hat, kann er das gerne in den Kommentaren vermerken, ich denke dann darüber nach und kann meine Meinung zu dem Punkt auch noch ändern.


Montag, 20. September 2010

Gebläse vs. Papiertaschentücher

Es ist ziemlich nervig, wenn Gaststätten- oder Kinobetreiber Geld oder Papier sparen wollen und statt der üblichen Papierhandtücher diese ollen dänischen Heißlfuftgebläse an die Toilettenwände schrauben. Ich hasse die Dinger und gehe dann lieber mit nassen Händen von der Toilette.

Gerade bei newscientist.com aufgeschnappt: Es hat doch tatsächlich jemand untersucht, ob ein Wandfön hygienischer ist als Papierhandtücher und ob es einen Unterschied macht, seine Hände unter dem Luftstrom zu reiben. Ergebnis: Das Reiben holt Bakterien aus den Poren hervor, und das Handtuch trägt sie ab.
When volunteers kept their hands still, the dryers reduced skin bacteria numbers by around 37 per cent compared to just after washing. But the count rose by 18 per cent when volunteers rubbed their hands under one of the machines. Paper towels proved the most efficient, halving the bacterial count even though volunteers rubbed their hands.

Jetzt kann ich meine Aversion also auch noch wissenschaftlich untermauern, prima! ;)
Das ist der Link zur Meldung, das ist der Link zur von mir nicht gelesenen Veröffentlichung im J Appl Microbiol.

Freitag, 17. September 2010


Das sind wahrscheinlich alte Kamellen. Welche Szenarien sind hinsichtlich der Klimadebatte und der wirklichen Klimaveränderung denkbar?

1.) Wenn die Skeptiker sich durchsetzen, und das Klima sich aber gar nicht ändert, dann ist die Folge, dass wir viel Geld gespart haben und so weiter machen können, wie bisher.

2.) Wenn diejenigen sich durchsetzen, die eine Klimaveränderung sehen, und das Klima ändert sich nicht, dann haben wir einen riesigen Haufen Geld ausgegeben, aber wir haben einige nachhaltige Energiequellen erschlossen, die helfen könnten, das Fortbestehen unserer Zivilisation zu sichern.

3.) Wenn diejenigen sich durchsetzen, die eine Klimaveränderung sehen, und damit Recht behalten - das Klima ändert sich also wirklich – dann haben wir die Chance, die Klimakatastrophe abzuwehren, und zwar durch technologischen Fortschritt. Das kostet aber einen großen Haufen Geld.

4.) Wenn die Skeptiker sich durchsetzen, und wir nur abwarten, und das Klima ändert sich aber doch, dann sind wir unvorbereitet auf all die Effekte, die eine Erhöhung der atmosphärischen Temperatur zur Folge hat.

Szenario 1 ist sicher wünschenswert, wird aber mit dem Risiko von Szenario 4 erkauft. 2 und 3 scheinen mir in jedem Fall die bessere Option zu sein.

Donnerstag, 16. September 2010

Umzug zu den Wissenslogs unter dem Dach vom Spektrum-Verlag

Ich ziehe mit dem Gedankenabfall um zu den Wissenslogs, in die Gesellschaft von Lars Fischer, Gunnar RiesSören Schewe und vielen anderen Bloggern.



Das neue Blog heißt „Detritus“ und ist damit eine Fortführung der Idee, dass hier halt nur gedanklichen Ausfluss biete – das wenigste ist bis zu Ende gedacht, viel Meinung schwingt in den Texten mit und allumfassende Recherche unterbleibt (ich ziehe irgendwann einen Schlussstrich: cherry picking!).

Also verbloggtes Halbwissen, wie bisher auch.

Warum bin ich überhaupt umgezogen? In erster Linie war es wohl die Aussicht auf mehr Aufmerksamkeit für meine Texte (Profilierungssucht!) und das „Netzwerken“ mit den anderen dort ansässigen Bloggern. Außerdem hat man zum Beispiel Ansprechpartner, die sich um die Technik kümmern – man fühlt sich also gleich als Teil von einem Ganzen, ganz im Gegensatz zum Inselbloggen hier auf Blogspot.

Ich denke, ich werde mich da sehr wohl fühlen. Wenn sich das ändern sollte, kann ich ja wieder herkommen. Was mit diesem Blog hier wird, wieß ich noch nicht. Vielleicht poste ich die unwichtigen Sachen hier rein, das „seriöse“ Zeug kommt drüben hin und vielleicht poste ich doppelt.

Nicht alle Artikel sind auch auf Detritus zu finden, ich hab nur die liebsten mitgenommen – wie peinlich, dass ich so verliebt in die bin ... bloggen muss ungesund sein: zur Profilneurose kommt jetzt auch noch die Erkenntnis, dass ich selbstverliebt bin. Ohje, ohje.

Montag, 13. September 2010

Es wird Zeit für die Grippeschutzimpfung

Ich habe mich hier nie zu dieser unsäglichen Verschwörungs-Diskussion und dem anhängenen Medienhype zur letzjährigen Grippe-Epidemie geäußert, will aber auf diese aktuelle Pressemitteilung zum Thema von Robert-Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut hinweisen.

Sie bekräftigt, was eigentlich jeder wissen sollte: Eine Influenza-Infektion ist weitestgehend vermeidbar, nimmt man nur die alljährliche Impfung in Anspruch.


Samstag, 11. September 2010

Was ist überhaupt grüne Gentechnik?

Bildquelle
Weil ich gemerkt habe, dass in meinem Umfeld einige Leute keinerlei Vorstellung davon haben, was Gentechnik überhaupt ist, gibt es heute mal einen schönen Erklärbär-Eintrag. Wer noch nichts darüber weiß, ist herzlich zum Kommentieren eingeladen, und wer schon alles weiß, der kann mich ja auf Fehler hinweisen.

Al allererstes muss man verstehen, was ein Gen überhaupt ist, daran scheitert es wohl schon bei einigen. Denn Worte wie „Genpflanze“ oder „Genfutter“ ergeben nicht im entferntesten einen Sinn, es sind reine Kampf- und Propagandabegriffe, die „Gen“ als etwas unnatürliches oder gar schädliches darstellen sollen. Das ist völliger Unsinn.

Freitag, 3. September 2010

Greenpeace sät Angst vor gentechnisch veränderten Futtermitteln

Mich regt ja nicht viel auf, aber der Müll, den Greenpeace regelmäßig verzapft, ist einfach nur zum weglaufen. Gestern erschien die neue Ausgabe des „Greenpeace-Gentechnikratgebers“ und die Pressemitteilung dazu hat ganz spontan bei mir Würgereiz ausgelöst. Nicht, weil so eklige Sachen drinstehen, sondern weil sie ihre Anhänger und Leser ganz offen für dumm verkaufen wollen.

Die Blattfärbung im Herbst (2): Teure Farbstoffsynthese

Anthocyanbildung beginnt in
den Intercostalfeldern, entlang der Blattgefäße
bleiben die Blätter grün (Bildquelle)
Viele Laubgehölze begnügen sich nicht damit, ihr photoreaktives Blattgrün einfach zu entschärfen und in der Vakuole zu verstauen, damit aus den Photosynthese-Proteinen Nährstoffe zurückzugewonnen werden können (siehe Teil 1). Sie produzieren rote Anthocyane, gelbliche Carotenoide und optische Aufheller, die die Blätter im Herbst stark einfärben. Da dies ein energetisch sehr aufwendiger Prozess ist, ist bislang unklar, wo der Nutzen dieser Maßnahme liegt. Dass diese de-novo-Synthese vor allem bei nordamerikanischen Arten auftritt, macht die Sache nicht weniger kompliziert.

Dienstag, 31. August 2010

Die Blattfärbung im Herbst (1): Wertstoffrecycling

ResearchBlogging.orgNachdem wir den nassesten August aller Zeiten überlebt haben, stürzen die sommerlichen Temperaturen ab. Der Herbst kündigt sich langsam an ...

Jedes Jahr im Herbst ändern die Bäume die Farbe ihrer Blätter, das weiß jedes Kind. Die einfachste Erklärung dafür ist: Das Blattgrün (Chlorophyll) wird abgebaut und andere, sonst nicht sichtbare Farbstoffe kommen zu Vorschein. Die freiwerdenden wertvollen Nährstoffe werden in den Speicherorganen der Pflanzen eingelagert, damit sie im Frühling mit der Blattbildung neu durchstarten kann. Nur ist es leider nicht ganz so einfach.

Die vegane-Rohkost-Bewegung und die Konzianer

Konzianer-Leibspeise
(Bildquelle)
Im Rahmen der veganen Rohkost verzichtet man nicht nur auf Fleisch und Fisch (Vegetarismus), Tierprodukte wie Eier, Milch und Honig (Veganismus), sondern sogar darauf, seine Nahrungsmittel zu kochen. Aus Nüssen, Sprossen, Keimlingen, Kräutern, Wurzeln und Knollen, und natürlich Früchten besteht der Speiseplan eines veganen Rohköstlers. Eine ziemlich extreme Ernährungsweise, die hierzulande wohl am ehesten unter den Jüngern von Franz Konz und Brigitte Rondholz zu finden sein dürfte, welche dies „Urkost“ nennen, in Anlehnung einer angeblich besonders ursprünglichen Ernährung, die bei Affen zu finden sei.

Wissenschaft, Verbote, Schmetterlinge und Gift bei „Gute Gene, schlechte Gene“

„Gute Gene, schlechte Gene“ ist ein ziemliche junges Blog über Gentechnik. Weil ich es so toll finde, habe ich es vor ein paar Tagen in meine Blogrolle aufgenommen. Der gestrige Artikel „Wie Wissenschaft funktioniert ...“ zeigt, dass das eine gute Entscheidung war.

Freitag, 27. August 2010

Blausäure in Kulturpflanzen und effiziente Erkennung von besseren Sorten

Viele Kulturpflanzen erzeugen Gifte zur Verteidigung gegen Fraßfeinde, deren Gehalte durchaus gesundheitsschädlich sein können. Bittere Blausäure (Cyanwasserstoff), die Pflanzenfresser abschrecken soll, wird von einigen wichtigen Kulturpflanzen gebildet: von Mais, Maniok, Lima-Bohnen oder auch einigen Leguminosen. Blausäure wirkt auf die Atmungskette in den Mitochondrien der Zelle – die Cytochrom-c-Oxidase wird irreversibel gehemmt und die Atmungskette kommt zum Erliegen. Der Hauptangriffsort ist das Gehirn.

Dienstag, 24. August 2010

Atomkraft

Letztens meinte jemand, wenn man während der Recherche nicht mindestens einmal seine Meinung zum Thema geändert hat, hat man etwas falsch gemacht. Nun habe ich gar nicht recherchiert und doch hat sich meine Position zum Thema etwas verändert.

Sonntag, 22. August 2010

Objektive Bewertung von Pestizidrückständen vs. gefühltes Risiko

Pestizide sind giftig.
Aber in welcher Konzentration?
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) ist eines meiner Lieblingsquellen, wenn es um alltäglich relevante Informationen zu Gefahren durch Inhaltsstoffe in Lebensmitteln geht.

Das BfR führt seit einigen Jahren regelmäßig sogenannte Stakeholderkonferenzen durch, welche übergeordnete gesellschaftspolitische Fragestellungen thematisieren. In einem Tagungsband werden diese Veranstaltungen dokumentiert, und derjenige für die Konferenz von 2009 wurde kürzlich veröffentlicht. Das Thema lautete „Sicherer als sicher? – Recht, Wahrnehmung und Wirklichkeit in der staatlichen Fürsorge“ und beinhaltet hübsch zusammengefasst wichtige Punkte zum Risiko von Pestizidrückständen und der Kommunikation dieses Risikos. Der Vortrag von Andreas Hensel, Präsident des BfR, thematisiert Pestizidrückstände im Rahmen von „gefühlten und subjektiven Risiken“. Ich gebe hier ein paar interessante Punkte wieder.

Sonntag, 15. August 2010

Ist „Bio“ besser (3): Produktionsqualität und Umweltschutz

Anknüpfend an meinen früheren Artikel über die gesundheitlichen Effekte von Bio-Lebensmitteln will ich endlich den Artikel über Umweltaspekte auf die Halde schieben. Ich werde sowieso nie fertig mit der Recherche ...

Freitag, 13. August 2010

Noch mehr Neues von photosynthetisierenden Tieren und Lichtnahrung

Drüben bei den deutschen Scienceblogs gibt es ein neues, und wirklich vielversprechendes Blog: Hier wohnen Drachen von Martin Bäker, einem echten Physiker[1]. Und gleich sein zweiter Eintrag handelt von Tieren, die Photosynthese betreiben. Ich habe bereits hier über eine Meeresschnecke und hier über einen Molch geschrieben, die ebenfalls Algen oder deren Bestandteile als Endosymbionten versklavt haben.

Mittwoch, 11. August 2010

Untergang des Abendlandes: Pestizidrückstände auf Strauchbeeren

Greenpeace erklärte Ende Juli aufgrund einer hauseigenen Untersuchung, dass Strauchbeeren aus konventioneller Landwirtschaft gesundheitsgefährdende Rückstände von teilweise illegalen Pestiziden aufweisen würden. Politisch korrekte Bio-Produkte seien dagegen pestizidfrei gewesen.

Montag, 2. August 2010

Bloggersolidarität: Helft Jörg Wipplinger

Jörg Wipplinger, der Betreiber des beliebtesten österreichischen Videoblogs diewahrheit.at, ist aufgrund einer Aussage, die er nicht gemacht hat, verklagt worden. Er ist somit ein weiteres Opfer des grassierenden Abmahn- und Prozessierungswahns gegen unerwünschte Stimmen im Internet.

Konkret handelt es sich um eine Behauptung eines interviewten Anwalts in einem Tierrechtsprozess, von der sich Jörg angeblich nicht asudrücklich distanziert hätte. Infolgedessen wurde ihm unterstellt, sich diese Aussage zu Eigen zu machen.


Sonntag, 1. August 2010

Neues von Tieren und Lichtnahrung!

In Ermangelung eines freien Bilds
von A. maculatum hier ein Bild
von einem ausgewachsenen
Axolotl (Bildquelle)
Oh nein! Meine Lieblings-Meeresschnecke Elysia chlorotica, von der ich glaubte, dass sie als einziges Tier Photosynthese durchführen könne[1], ist gar nicht so einzigartig. Sie hat Konkurrenz bekommen: Wie NatureNews berichtet, existieren auch solare Salamander. Ein Wirbeltier, das Photosynthese betreibt bzw. betreiben lässt, das ist schon eine Sensation!

Der Flecken-Querzahnmolch (Ambystoma maculatum) ist ein Verwandter des berühmten Axolotl (Ambystoma mexicanum), der in zeitlebens als Dauerlarve verharrt und für seine spektakulären Regenerationsfähigkeiten bekannt ist. Die Embryonen von A. maculatum geht mit einzelligen Algen (Oophilia amblystomatis) eine Symbiose ein, wobei sich diese innerhalb seiner Zellen befinden. Die Algen sind somit Endosymbionten. Dies ist unerwartet, da das Immunsystem des Amphibs die Algen offenbar nicht als „fremd“ erkennt und vernichtet. Die Produkte der Alge, Kohlenhydrate und Sauerstoff, werden von den tierischen Zellen wohl gerne angenommen. Erstaunlich ist auch, dass das nicht früher aufgefallen ist, denn die Tiere werden bereits seit Jahrzehnten studiert.

Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis man photosynthetische Endosymbionten bei Menschen findet! ;)

Quelle

NatureNews: A solar salamander. 30 July 2010, Nature, doi:10.1038/news.2010.384

[1]Außer vielleicht noch ein paar anderen Schnecken und Korallen.

Samstag, 31. Juli 2010

Lesebuch über Karl Popper bestellt

Ich bin von der philosophischen Bildung her ein unbeschriebenes Blatt. Ich habe mir kurzerhand das Lesebuch Karl Popper bestellt, um einen Einstieg in Erkenntnistheorie und Wissenschaftstheorie zu finden. Das Buch ist eine Sammlung von Texten, zusammengestellt und herausgegeben von David Miller.

Freitag, 30. Juli 2010

Glöckler und Goebel: Sinnfindung in Kinderkrankheiten

Mein Exemplar der Kindersprechstunde
Mir liegt das äußerst kuriose und stark anthroposophisch geprägte „Kindersprechstunde – ein medizinisch-pädagogischer Ratgeber“ von den beiden Medizinern Wolfgang Goebel und Michaela Glöckler vor. Glöckler leiter die medizinische Sektion des Goetheanums, dem Haupttempel und Hochschule der Steiner-Verehrer.

Das Leseerlebnis kann man am ehesten mit „verstörend“ beschreiben, insbesondere im Hinblick auf Krankheiten. Im Folgenden ein paar eindrückliche und ausführliche Zitate aus dem Wälzer in der 16. (!) Auflage von 2006, erschienen im Urachhausverlag. Vielleicht selektiere ich noch mehr Irres aus dem Buch, gerade zu Ernährungsfragen sind einige sehr skurrile Sachen dabei (Kartoffelgenuss verroht den Menschen!).

Das Krankheitsthema ist aber ungleich ernster, wenn man bedenkt, dass uns Impfgegner aus dem anthropsophischen Umfeld alljährlich mit gefährlichen Epidemien beglücken, an deren Folgen regelmäßig Menschen versterben.

Mittwoch, 28. Juli 2010

Natürliche Kanzerogene in Lebensmitteln

Weils die Diskussion um die Signifikanz von synthetischen Kanzerogenen so schön ist, und weil mein Bio-Artikel dahingehend etwas ausgebaut wurde, hole ich die natürlichen krebserzeugenden Substanzen nochmal nach vorn.


Photosynthese (1): Einleitung

Es ist schwierig, Photosynthese (griech. etwa „Erzeugung durch Licht“) zu definieren, da sie in so vielen verschiedenen Organismen auf so unterschiedliche Art angewendet wird. In verschiedensten aeroben und anaeroben Bakterien, in Algen und Pflanzen, und sogar in Meeresschnecken wird Photosynthese betrieben.

Und doch ist das mechanistische Grundprinzip gleich und sogar die Strukturen der zentralen Proteinkomplexe gehen auf einen gemeinsamen Vorfahren zurück. Sie wird immer betrieben, um aus Licht Energie zu gewinnen. Immer sind Proteinkomplexe an ihr beteiligt, die in eine Membran eingebettet sind, und diese Membran hat eine entscheidende Rolle bei der Erzeugung von chemischer Energie.

Ich will mich in diesem und zukünftigen Artikeln auf die bedeutendste Abart, nämlich die oxygene Photosynthese beschränken. Anoxygene Varianten, wie sie von einigen Bakterien betrieben wird, will ich vorerst unter den Tisch fallen lassen, obwohl sie auch sehr interessant sind.

Cyanobakterien, hier im Mikroskop, gehören zu den ursprünglichsten photosynthetischen Organismen, die Sauerstoff erzeugen. Bildquelle.

Die oxygene Photosynthese erzeugt Sauerstoff (daher der Name), und zwar durch die Spaltung von Wasser. Wasser werden Elektronen entzogen, es wird chemisch oxidiert. Dieser Prozess hat damit unsere Atmosphäre erst zu dem gemacht, was sie heute ist: photosynthetische Bakterien produzieren seit Milliarden von Jahren Sauerstoff, den wir jeden Tag atmen. Außerdem wird mit den aus dem Wasser gewonnenen Elektronen und der erzeugten chemischen Energie in Form von ATP Kohlenstoffdioxid aus der Atmosphäre gezogen und in Zucker umgewandelt, der weiter in Stärke und Zellulose verarbeitet wird, sowie Nitrat und Sulfat assimiliert, die zum Aufbau von Proteinen wichtig ist. Fast die gesamte Biomasse auf unserem Planeten entsteht durch diese Aktivität, selbst die fossilen Brennstoffe Erdgas, Erdöl und Kohle sind ursprünglich solaren Ursprungs.

Photosynthese ist also von großer Bedeutung für das Leben auf dieser Erde. Ein guter Grund, sich diesem Thema in ein paar Artikeln zu widmen.

Dienstag, 27. Juli 2010

Die sich wiederholenden Homöopathenargumente

Ich habe die E-Petition Streichung der Homöopathie aus dem Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung mitgezeichnet.

Im Forums-Thread zur der Petition wird die übliche Diskussion über die Wirksamkeit der Homöopathie geführt. Dabei fällt auf, dass die Argumente und Gegenargumente alle andere als neu sind. Im Folgenden habe ich mich an einer allgemeinverständlichen Aufbereitung der häufigsten Pro-Argumente für die Homöpathie versucht und meine Antwort darauf gegeben. Quasi als Merkzettel für mich, damit ich nicht immer alles neu Tippen muss, das Blog ist schließlich meine Gedankenmüllhalde.

Ich freue mich über Ergänzungen und Kommentare!

Samstag, 24. Juli 2010

Aktuelle Linktipps zum Placeboeffekt

Im Rahmen der aktuellen Homöopathie-Debatte tauchen vielerorts Artikel zum Placeboeffekt auf, die interesanntesten hab ich versucht, hier zusammenzustellen. Wer kennt andere Artikel zum Thema, die ich in die Liste aufnehmen könnte?

Freitag, 16. Juli 2010

Der Mensch, eine schlampig konstruierte Krone der Schöpfung

NatureNews berichtete vor einiger Zeit über einen interessanten Artikel von John C. Avise, der in PNAS erschienen ist: Footprints of nonsentient design inside the human genome (etwa: Indizien für „bewusstloses“ Design im menschlichen Genom). Der Artikel argumentiert gegen Intelligent Design (ID), eine Abart des bibelreligiösen Kreationismus, nach dem komplexe biologische Funktionen sich nicht etwa durch Evolution entwickeln könnten, sondern vielmehr aus dem Nichts von einem bewussten Wesen geschaffen wurden müssten.

Avise zeigt an einigen Beispielen, dass für die Schöpfung des Menschen vielmehr ein „bewusstloses“ Wesen am Werk gewesen sein muss. Denn die Natur ist nicht perfekt, anders als einem sowohl von romantisch-verklärten Ökologisten, als auch von religiösen Spinnern immer und immer wieder erklärt wird. Die konkreten Beispiele für die Imperfektion des Menschen, die von Avise angeführt werden, sind neben schädlichen Mutationen im Genom auch unnötig komplizierte biologische Mechanismen, die ihm „barock“ erscheinen. Neben vielen anderen Beispielen spricht Avise im Artikel Genduplikationen, repetitive Elemente und die funktionslosen Pseudogene an. Auf zwei Dinge will ich im Folgenden eingehen: Introns und das mitochondrale Genom.

Introns

Eukaryotische proteinkodierende Gene besitzen meist Introns, Bereiche also, die aufwendig aus dem Transkript herausgeschnitten werden müssen, damit aus dem abgeschriebenen Gen auch ein funktionierendes Protein wird. Introns sind durchschnittlich 30-mal länger als die kodierenden Exons. Damit werden die Gene sehr lang, was die Zeit zum Ablesen erhöht und viele Nukleotide als RNA-Bausteine benötigt. Es gibt zwar differenzielles Spleißen, wobei verschiedene Exon-Kombination aus dem Gen herausgeschnitten werden, und somit verschiedenste Genprodukte aus einem Gen hervorgehen, aber viele Organismen, etwa Bakterien, kommen auch sehr gut ohne Introns aus. Und ein Ingenieur hätte wohl vielmehr diesen Mechanismus auf Gene beschränkt, bei denen das wirklich von Vorteil ist, etwa bei der Variation der variablen Domäne von Immunglobulinen. Der Splicing-Prozess ist wahnsinnig komplex und damit auch anfällig gegenüber Störungen, sodass eine solche Popularität von Introns im Genom eigentlich keinen Sinn macht.

Mitochondrien-Genom

Ein weiteres, sehr schönes Beispiel befasst sich mit dem mitochondralen Genom. Dass ein solches überhaupt existiert und Komponenten der Atmungskette ein Mosaik aus nukleären und mitochondralen Genprodukten ist, spricht allein schon gegen eine Schöpfung. Allerdings lässt sich das alles gut mittels der Endosymbiontentheorie erklären, nach der die Organellen aus einem bakterienähnlichen Endosymbionten hervorgegangen sind und im Lauf der Zeit immer mehr reduziert wurden. Jedenfalls ist auch das Genom der Mitochondrien Mutationen unterworfen, und zwar in einem besonderen Maße. Schließlich finden im Mitochondrium Elektronenübergänge statt, deren Folge oft reaktive Sauerstoffspezies („freie Radikale“) sind, welche wiederum schnell Schäden an der DNA anrichten können. Ein intelligenter Designer hätte keinen Grund gehabt, das genau so zu konstruieren. Es gibt auch keinen Grund für die inkompatiblen Transkriptions-Initiations-Mechanismen, die so unterschiedlichen Genarchiktekturen (zirkuläres vs. lineares Genom, keine Introns vs. viele Introns, polygenetisches vs. monogenetisches Transkript, usw.), rechtfertigen würden.

***

Mir fällt dazu ein, dass alle nicht-photosynthetischen Pflanzen nicht auf ihre Chloroplasten verzichten können, obwohl sie als Parasiten von Lichtenergie unabhängig sind. Sie behalten sie trotzdem, weil zum Beispiel manche Stoffwechselprozesse nur im Chloroplasten stattfinden können oder weil sie auf ein Genprodukt angewiesen sind, dessen Gen wegen Inkompatibilität nicht in den Zellkern ausgelagert werden können.

***

Das alles lässt sich nicht schlüssig mit einem Schöpfer erklären, aber mit einem sich langsam entwickelnden Evolutionsprozess, der für das „große Ganze“ blind ist und nur lokale Optimierungen vornimmt.

Ich persönlich finde diese Frage nach einem Schöpfer völlig überflüssig. Sollte ein solches „allmächtiges“ Wesen existieren, müsste es fraglos komplexer sein, als wir und unsere Welt. Das wirft natürlich sofort die Frage auf, wer diesen Schöpfer erschaffen hat? Wohl jemand, der noch komplexer und mächtiger ist. Die Frage nach dem Schöpfer des Schöpfers führt in einen unendlichen Regress und führt damit zu nichts.

Dienstag, 13. Juli 2010

Kurznotiz in eigener Sache

Weder vom WDR, noch von der Eltern-Redaktion (Babys homöopathisch misshandeln) hab ich bislang eine vernünftige Antwort zu meinen „Leserbriefen“ zum unkritischen Umgang mit homöopathischen Heilsversprechen erhalten. Sollte man da nachbohren oder macht man sich damit nur zum Löffel?

Das einzige Tier, das Photosynthese betreibt

... oder die Geschichte, wie ich an meinen Nicknamen „kleptoplast“ gekommen bin.

Photosynthese, das Umwandeln von Lichtenergie in chemische Energie (z.B. Zucker), ist eigentlich Pflanzen und einigen Bakterien vorbehalten. Wenn wir als Menschen Photosynthese betreiben könnten, wäre das ziemlich praktisch, denn dann könnten wir einen Teil unseres Energiebedarfs decken, indem wir uns einfach in die Sonne stellen. Es gibt doch aber kein Tier, das das kann, oder?

Eine Ausnahme scheinen die grünen Meeresschnecken der Gattung Elysia zu sein, die an der Ostküste Nordamerikas leben.

Lebendes Blatt: Elysia chlorotica (Bildquelle)

Die grüne Farbe der Schnecke dient nämlich nicht nur zur Tarnung gegen Fressfeinde! Sie stammt von intakten Chloroplasten (Zellorganellen, die eigentlich in Pflanzen Ort der Photosynthese sind), die in die Zellen des Verdauungstraktes der Schnecke eingebettet sind. Die Chloroplasten haben die Schnecken jedoch von Grünalgen (Vaucheria litorea) „gestohlen“, welche von den Tieren angefressen und ausgesaugt werden. Alle Zellbestandteile bis auf die Chloroplasten werden bei diesem Prozess verworfen.

Die geklauten Chloroplasten (Kleptoplasten) bleiben funktionsfähig und exprimieren sogar weiterhin plastidäre Gene, während sie die Schnecke mit Kohlenhydraten versorgen. Setzt man ein Tier der Art Elysia chlorotica im Jugendstadium in ein beleuchtetes Gefäß, überlebt es bis zu neun Monate ohne Futter. Das entspricht in etwa der normalen Lebenserwartung der Schnecke.

Das ist nicht selbstverständlich. Chloroplasten selbst sind Symbionten im Inneren der Pflanzenzelle, ursprünglich müssen sie den photosynthetischen Cyanobakterien sehr ähnlich gewesen sein. Im Laufe der Evolution wurden große Teile des Chloroplasten-Erbguts in den Zellkern ausgelagert, wo sie z.B. unter einer besseren Kontrolle des Wirtes stehen. So müssen mehr als 90% der benötigten plastidären Proteine in der Wirtszelle hergestellt und in den Chloroplasten importiert werden. Bei den Chloroplasten der Grünalge Vaucheria litorea ist das nicht anders.
So hat man vor zwei Jahren festgestellt, dass die Schnecke pflanzliche Proteine herstellt und in die Kleptoplasten importiert. Es muss also ein horizontaler Gentransfer zwischen Alge und Schnecke stattgefunden haben!

Nachtrag: Auf Ed Yongs Blog ist zu lesen, dass in einer neuen Publikation von Wägele et al. diese Befunde nicht bestätigt werden konnten – wie die Chloroplasten also monatelang ohne Nachschub an reparierten Photosystemen überleben können, bleibt vorerst ein Rätsel.

Hier kann man noch mehr über die Schnecke und ihre Alge erfahren (englischsprachige Website).

Quelle

Rumpho et al. (2008): Horizontal gene transfer of the algal nuclear gene psbO to the photosynthetic sea slug Elysia chlorotica. PNAS 105(46) S. 17867-71

Sonntag, 11. Juli 2010

Prof. Sponas Vitalogic auch auf imedo.de

Auch im Werbe-Bereich von imedo.de gibt es für Vitatonic („die erste und einzige maßgeschneiderte Komplettlösung zur Nahrungsergänzung“) eine Seite mit Produktinformationen, also Werbung.

Screenshot von der Vitatonic-Produktseite auf imedo.de


Über das Aminosäuren-Präparat Vitatonic, von Prof. Jürgen Spona entwickelt und über seine Firma Vitalogic vermarktet, habe ich hier schon einmal ausführlich geschrieben. Kurz: Ich halte das Produkt für ein gewöhnliches Nahrungsergänzungsmittel mit schlecht belegter, aber große beworbener Wirkung. Auf die Frage nach Literatur zu seinen Produkt war Prof. Spona in den Kommentaren leider recht zurückhaltend.

Was mich erstaunt hat, sind die Unterschiede in der Produktbeschreibung zum einen auf der Werbeplattform, und zum anderen auf der offiziellen Website.

Auf der offiziellen Seite wird eher vorsichtig für die gesundheitlichen Wirkungen des Nahrungsergänzungsmittels geworben:
Stress, Burn Out und Depressionen belasten –
Helfen Sie Ihrem Körper, besser damit umgehen [1]
[...] bei übermäßigem Stress, Burnout oder Depressionen funktioniert die Kommunikation zwischen den Nervenzellen nicht richtig [...]. Um dies zu regulieren, dienen verschiedenste spezielle Medikamente. Deren Wirkung kann entscheidend unterstützt und beschleunigt werden, wenn Ihr Aminosäure-Haushalt ausgewogen ist. [1]

Die Formulierungen hören sich auf der Produktseite bei imedo.de schon etwas direkter und aggressiver an:
Bei Anzeichen von Erschöpfung, Leistungsabfall, Konzentrationsstörungen, chronischer Müdigkeit, Burn-Out oder Depression kann das Präparat gezielt helfen.
Vitatonic hilft gegen die Symptome des Burnout-Syndroms
Vitatonic - Wirkung durch aktuelle Studien belegt
Vielen Betroffenen konnte daher bereits durch das maßgeschneiderte Aminosäure-Präparat Vitatonic geholfen werden, denn Vitatonic verbessert die Symptome des Burn-Out-Syndroms.

Entscheidend ist in meinen Augen der Umgang mit der von Vitalogic durchgeführten, kontrollierten, doppelblinden Studie an stationierten Depressionspatienten (mehr dazu auch hier in meinem vorherigen Artikel). Bei imedo wird mit großen Worten mit der Studie geworben und es wird vollmundig von fortlaufenden, aktuellen Forschungsarbeiten gesprochen. Dabei war es nur eine einzige Studie zum Produkt, dazu war sie mit einer Größe von je 20 Testpersonen in zwei Gruppen recht klein.
Diese Informationen werden unterschlagen. Dass die einzige Studie nur an medikamentös behandelten Personen durchgeführt wurde, wird nur indirekt und erst ganz am Ende erwähnt (Hervorhebung von mir):
Vitatonic baut auf über 15 Jahre laufender Forschungsarbeit auf und wird mit erstaunlichen Ergebnissen in aktuellen Studien bestätigt. Untersuchungen konnten zeigen, dass sich bei 75 Prozent der Patienten mit chronischem Erschöpfungssyndrom eine 50 bis 100 prozentige Verbesserung der Symptome durch eine individuellen Nahrungsergänzung mit Aminosäuren erzielen lässt. Erfahrungen zeigen, dass eine individuelle Korrektur der Aminosäureungleichgewichte zu einer Verbesserung der psychischen und physischen Vitalität führt. Die Studie zum Thema "Aminosäuren in der Depressionstherapie" finden Sie hier [Anmerkung: Link zur Studie].  [2]
Genau das war es, was mich zum Schreiben des ersten Artikels verleitet hat: Das unverschämte Aufplustern von Ergebnissen, das Suggerieren einer immensen Wirkung, wo vielleicht gar keine oder eine ganz kleine ist. Das Anstreichen eines teuren Nahrungsergänzungsmittels mit wissenschaftlicher Farbe, wo aber wissenschaftliche Arbeiten eher spärlich gesät sind, sodass am Ende kein Laie mehr weiß, was er davon halten soll.

Ein Hinweis darauf, dass diese individuelle Zusammenstellung nun besser sein soll, als ein dahergelaufenes Nahrungsergänzungsmittel aus Milch- und Sojaprotein oder besser noch eine gesunde und ausgewogene Ernährung, steht noch aus. Prof. Spona meint dazu hier im Kommentarbereich:
[E]s gibt ja eine große Anzahl an Medizinern, Heilpraktikern und Ernährungswissenschaftlern, die in ihrer praktischen Arbeit mit Patienten schon lange die positiven Wirkungen von qualitativ hochwertigen Nahrungsergänzungsmitteln nutzen.
Keine Belege also. Ich möchte gern glauben, dass Vitatonic zu den „guten“ Mittelchen gehört, aber ohne Belege wird das nichts.

Und bis dahin verzichte ich auf ein besseres Leben für „nur 128,- € im Monat“.

Samstag, 10. Juli 2010

SPD: „Homöopathie raus aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen“

Wie Spiegel Online meldet, fordert die SPD, eine Bezuschussung homöopathischer Behandlungen durch die Krankenkassen zu verbieten.
"Man sollte den Kassen schlicht verbieten, die Homöopathie zu bezahlen", sagte Karl Lauterbach, SPD-Obmann im Gesundheitsausschuss des Bundestags, dem SPIEGEL. Dass mittlerweile mehr als die Hälfte aller gesetzlichen Krankenkassen die Leistungen von Homöopathen erstatten, kritisiert der Experte: "Viele Patienten glauben, die Kassen zahlen nur das, was auch nachweisbar hilft. Deshalb adeln die Krankenkassen mit ihrem Vorgehen die Homöopathie."
Beim Werben um Kunden pumpen die gesetzlichen Krankenkassen nicht nur Millionen ins Marketing, sondern auch in die Erstattung von homöopathischen Mittelchen. Dass Homöopathie nicht besser als ein Placebo wirkt, ist keine Neuigkeit. Erstaunlich, dass das der SPD nicht schon viel eher aufgefallen ist. Dass nun endlich die Verschwendungspraxis in Frage gestellt wird, ist auf jeden Fall zu begrüßen.

Hier weiterlesen: Spiegel Online: Kürzungsforderungen: Krankenkassen sollen sich Homöopathie sparen, 10.07.2010

Donnerstag, 17. Juni 2010

Babys homöopathisch misshandeln (ELTERN-Zeitschrift 7/2010)

Die Eltern-Zeitschrift wirbt auf dem Titel ihrer aktuellen Ausgabe (07/2010) „Babys homöopathisch behandeln“. Im zugehörigen Artikel wird wieder einmal völlig unkritisch mit homöopathischen Heilsversprechen umgegangen. Nach einem kurzen Abriss über das Selbstbild der Homöopathen gibt es eine Reihe von Tips, welche Mittelchen bei welchen Beschwerden helfen und wann man zum Arzt gehen sollte. Kein Wort davon, wie Homöopathika hergestellt werden und dass in Globuli und Tropfen zumeist kein Wirkstoff mehr enthalten ist. 

Warum sind diese „alternativen“ Heilmethoden in letzter Zeit so in Mode gekommen? Warum sind sie offenbar besonders bei Eltern junger Kinder so beliebt?

Ich erkläre es mir so: Eltern sind ständig um das Wohlergehen ihrer Kinder besorgt, dabei  hat die konventionelle Medizin den Ruf, eine „Fließbandabfertigung“ ohne Aufmerksamkeit für die persönlichen Bedürfnisse der Patienten zu praktizieren. Konventionelle Medikamente („Chemie“) haben den Ruf, viele Nebenwirkungen zu haben und den Körper unnötig zu belasten.

Die Selbstmedikation mit homöopathischen Arzneimitteln kommt da wie gerufen – diese werden als „natürlich“, „sanft“ und „nebenwirkungsfrei“ angepriesen. Dazu sind sie auch noch relativ günstig und man spart sich den stressigen Besuch beim Arzt.

Dabei halten Homöopathika keines von diesen Versprechen. Homöopathie hat mit Naturheilkude überhaupt nichts zu tun, Samuel Hahnemann hat sie sich im 18. Jahrhunder ausgedacht. Damals wusste er und niemand etwas über Infektionserreger und Hygiene, Hormone, das Immunsystem oder Biochemie. Seine Theorien mögen für die damalige Zeit fortschrittlich gewesen sein – da aber in den letzten 200 Jahren kein Wirksamkeitsbeweis erbracht werden konnte, müssen sie heute als überholt gelten. Wenn einem Kind bei einer ernsthaften Erkrankung eine wirksame Behandlung vorenthalten wird, muss es unnötig leiden. Auch wird man einem kranken Kind nie ein ungetestetes Medikament verabreichen wollen, bei Homöopathika wird auf diese Tests einfach verzichtet.

Viele Beschwerden verflüchtigen sich, wenn man einfach abwartet und die Selbstheilungskräfte des Körpers walten lässt – eine Erkältung etwa ist in der Regel nach ein paar Tagen vorbei. Die einzige Alternative zum Abwarten ist der Arztbesuch, und nicht das verabreichen wirkungsloser Mittel. Hier ist die Gefahr, dass man die Schwere der Erkrankung verkennt und sich zu spät dem Mediziner vorstellt. Entsprechend sind neben einer Milchzuckerunverträglichkeit Globuli nicht nebenwirkungsfrei. Das Ausbleiben einer Behandlung kann sehr wohl Effekte haben. Ich empfehle zum Thema die Reihe „Kindesmissbrauch durch alternative Heilmethoden“ (Teil 1, 2, 3, 4) im Esoblog.

Man muss dem Artikel zugute halten, dass er sich auf kleinere Probleme (etwa Windelwundsein oder Durchfall) beschränkt und schwerere Erkrankungen wie Mittelohrentzündung etc. gar nicht erst thematisiert. Auch wird der Arztbesuch nahegelegt, wenn die Symptome zu stark werden. Trotzdem wird komplett verschwiegen, dass in den Präparaten keine Wirksubstanzen enthalten sind und seit 200 Jahren ein Wirksamkeitsnachweis aussteht. Ich erwarte, dass man mit mir als Leser ehrlich umgeht und über die Hintergründe der Homöopathie aufklärt (Bei Gedankenabfall: Weshalb Homöopathie Humbug ist).

Rechnet man realistischerweise mit dem Preis für reinen Milchzucker, sind homöopathische Globuli plötzlich nicht mehr „günstig“, sondern vergleichsweise teuer. Milchzucker kann man beim Carl-Roth-Versand im Kilogramm-Gebinde kaufen (€ 14,40). Noch einfacher wird es natürlich mit sauberem Wasser, das meist aus der Leitung kommt und gegenüber homöopathischen Tropfen unschlagbar günstig ist.

(Ich werde diesen Blogeintrag noch zu einer Mail an die Eltern-Redaktion umwursten und die Antwort hier einstellen.)

Bildquelle

Titelbild der aktuellen Ausgabe (07/2010) von Eltern.de: Seite „Abo bestellen

Mailkorrespondenz mit der Eltern-Redaktion

Nachdem ich der Eltern-Redaktion am 17. Juni meine Bedenken mitgeteilt habe (im Wesentlichen oben geschildert), bekam ich heute von Sabine Lotz eine Antwort. Ich darf ihre Mail jedoch aus „rechtlichen Gründen“ nicht hier veröffentlichen, weshalb ich ihn inhaltsgemäß im Folgenden wiedergebe.

Frau Lotz dankt mir für mein ausführliches Schreiben. Sie schreibt, dass ihr die „Kritikpunkte“, die ich aufzählen würde, bekannt seien, aber es auch eine Menge Befürworter dieser „Medizinrichtung“ gäbe. Darunter seien auch seriöse Ärzte. Zu beurteilen, wer Recht hätte, könne man sich nicht erlauben. Der Eltern-Redkation wäre es außerdem ein Anliegen, „Eltern, deren Kinder unter leichteren Beschwerden leiden, eine Selbsthilfemöglichkeit an die Hand zu geben“, wobei ein Artbesuch bei schweren Fällen unerlässlich sei.

Ich antwortete:
Sehr geehrte Frau Lotz,

ich bedaure, dass Sie mein Schreiben derart gründlich fehlinterpretieren.

Mir ging es in keiner Weise darum, die Homöopathie zu kritisieren, sondern den Umgang mit zweifelhaften medizinischen Methoden in Ihrem Heft.

Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass Homöopathie besser wirkt als ein Plazebo. Wenn Sie mit ELTERN der Pseudo-Wissenschaft unreflektiert ein Forum bieten wollen, tut mir das sehr leid. Es offenbart einen unkritischen Umgang mit den Fragen, die in dem Heft behandelt werden – das muss ich von nun an auch bei den anderen Artikeln im Hinterkopf behalten.

Ich denke, Sie sind es Ihren Lesern schuldig, sie über die Homöopathie-Hypothese aufzuklären, wenn Sie darüber berichten, sodass sie sich selbst ein Urteil bilden können. Dass Sie es sich aber umgekehrt ganz einfach machen und auf die Autorität der Ärzte als Messlatte heranziehen, lässt mich nur vermuten, dass Sie selbst eine gründliche Hintergrundrecherche unterlassen haben. Es zeigt, dass Sie sich selbst eben kein Urteil gebildet haben, wie Sie in Ihrer Mail ja auch ganz offen zugeben.

Wie kann man einerseits Ratschläge verteilen und sich andererseits über die Ratschläge kein Urteil gebildet haben? Sind Sie bei allen im Heft behandelten Themen so unkritisch?

Um kurz auf den Inhalt Ihrer Mail einzugehen: Sie argumentieren mit der Akzeptanz der Methode durch „zahlreiche seriöse Ärzte“, unterschlagen aber, inwiefern das die Validität der Methode beweisen soll. Ich bezweifle, dass Sie verlässliche Zahlen über die „Akzeptanz“ unter Ärzten haben, und wenn doch, würde das immer noch nichts beweisen. Ein Arzneimittel hat sich in klinischen Studien hinsichtlich der Wirksamkeit und der Sicherheit zu behaupten, und wird nicht an der Beliebtheit gemessen. Hätten wir uns diese Philosophie zu Eigen gemacht, würde wir noch heute Aderlässe praktizieren!

Kein *seriöser* Arzt wendet Homöopathie [an], außer er will seinen Patienten täuschen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin ***

Evidenz ist nicht gleich evidence?

Da musste ich gerade feststellen.

Bisher habe ich, gerade wegen des Begriffs „evidenzbasierte Medizin“ (original englisch: evidence based medicine) die beiden Begriffe als synonym verwendet. Stattdessen ist die Evidenz genau das Gegenteil eines Beweises (evidence), nämlich ein Sachverhalt, der unmittelbar ohne besondere methodische Aneignung klar auf der Hand liegt (obviousness). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist mir diese Bedeutung eigentlich auch geläufig: ein offensichtlicher Sachverhalt ist „evident“.

„Evidenzbasierte Medizin“ ist also eigentlich eine Fehlübersetzung, die mich ganz schön in die Irre geführt hat. Bemerkenswerterweise ist das in meinem Umfeld aber bisher niemandem aufgefallen (oder niemand hat mir das mitgeteilt), vielleicht weil die Wissenschaft inzwischen so stark von der englischen Sprache geprägt ist?

Dienstag, 15. Juni 2010

Masernausbruch an einer Waldorfschule in Essen

In Essen kam es im März zu einem Ausbruch der Masern mit 71 Erkrankten, davon mussten 4 stationär behandelt werden. Völlig überraschend war der Ausgangspunkt eine Waldorfschule, an der nur 59% der Schülerschaft geimpft war. Das Gesundheitsamt empfahl daraufhin dringend eine Riegelungsimpfung bei den restlichen Schülern, völlig überraschend zeigte der überwiegende Teil der Elternschaft keine Bereitschaft, diese Impfung durchführen zu lassen. Die ungeimpften Kinder, und solche, die noch keine Erkrankung durchgemacht haben, wurden vom Unterricht ausgeschlossen, was unter den Eltern für Empörung sorgte. Ausgehend von der Essener Schule hat sich das Virus in angrenzende Kommunen (Gelsenkirchen, Mettmann, Wuppertal und Oberhausen) ausgebreitet.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass die Krankheit an anthroposophischen Einrichtungen ausgebrochen ist. Erst im Januar hat ein Berliner Waldorfschüler das Masernvirus aus Indien eingeschleppt und in der Folge sind 62 Personen überwiegend in Waldorf-Schulen und -Kitas erkrankt. Im März 2008 gab es eine große Epidemie von 178 Fällen im Raum Salzburg, die von einer anthroposophischen Schule ausging. Zur Jahreswende 2001/02 traten 180 Fälle in anthroposophischen Kindergärten in Verden auf. Ein Kind bekam in der Folge eine Enzephalitis. Von den Erkrankten waren 179 ungeimpft. 2001 erkrankten im Kreis Coburg 1200 Menschen, Ausgangspunkt der Epidemie war eine anthropsophische Schule. Diese Liste ist nicht vollständig und ungerichtet ergoogelt. Sie zeigt aber, dass eines naheliegt:
Masern werden in Deutschland von Waldorfschule zu Waldorfschule übertragen.
Im Lancet erschien 1999 ein Artikel, nach denen nur 18% von Schülern antroposophischer Einrichtungen, aber 95% von staatlichen Einrichtungen geimpft sind (Alm JS et al(1999), Lancet 353 (9163):1485-1488). Der Grund: Viele Anthropsophen lehnen eine Masern-Impfungen ab, da die Erkrankung angeblich eine „sinnhafte Wirkung“ haben könnte. Rudolf Steiner (Bild rechts) hat mit rite in Philophie promoviert und ist anschließend mit seiner Habilitation gescheitert. Da ihm so eine akademische Karriere nicht mehr offen stand, hat er sich einfach ein eigenes esoterisch-okkultes Weltbild ausgedacht, in dem Krankheiten Folge einer gestörten Wechselwirkung der vier Wesensglieder sind.

Es steht jedem frei, jeden Unsinn zu glauben, den er will, aber es sollten gefälligst nicht die Kinder darunter leiden, die nicht bewusst über das für und wider eine Impfung entscheiden können. Masern sind eine ernstzunehmende Erkrankung, die zu schweren Komplikationen führen kann. In Nordrhein-Westfalen gab es 2006/07 eine große Epidemie, bei der über 2000 Menschen erkrankten, davon 15 Prozent schwer. Zwei Säuglinge verstarben.

Da ein sehr guter Impfstoff existiert, sind Masern ein völlig unnötiges Gesundheitsrisiko. Glücklicherweise ist die Krankheit global und deutschlandweit auf dem Rückzug, dank einer insgesamt stetig steigenden Durchimpfungsrate.

Weiterlesen zum Thema Anthroposophie

Ruhrbarone: Drei Gründe für die Waldorfschule
Nachrichten aus der Welt der Anthroposophie: Gemeingefährlich statt gemeinnützig

Quelle

Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 23/2010
Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 16/2010

Samstag, 12. Juni 2010

Das Nahrungsergänzungsmittel Vitatonic(TM) von Prof. Jürgen Spona

Die österreichische Firma Vitalogic bewirbt das Nahrungsergänzungsmittel Vitatonic, das wundersame Wirkungen entfalten soll.
Ihr Teint wird wieder frisch wirken, die Hautqualität verbessert sich. Haarausfall nimmt ab, Ihr Haar wird wieder kräftig und glänzend, auch brüchige Nägel gehören der Vergangenheit an.
Das ist aber noch längst nicht alles. Außerdem verspricht Vitatonic „Steigerung von Leistungsfähigkeit, Denkleistung und Konzentration“ und sogar „Stimulation des Immunsystems“ und „Steigerung der Konzentration“. Aushängeschild ist die angebliche Wirkung gegen Burnout und Depression. Ein Allround-Präparat also, das gegen eine Bandbreite von Alltags-Problemen helfen soll.

Belege?

Neben den üblichen Erfahrungsberichten ist eine Autorität der Beweis der Wirksamkeit: der Chef, Prof. Jürgen Spona, der das Mittel nach „15 Jahren Forschung“ ausgeheckt hat. Spona ist ein echter Wissenschaftler, der gelegentlich auch publiziert. Seine Erkenntnisse werden auf der Website in den höchsten Tönen besungen.

Die wissenschaftliche Basis für die Wirksamkeit von Vitatonic ist meiner Meinung nach ziemlich bescheiden, trotz der eigens durchgeführten klinischen doppelblinden Studie zu „Burnout und Depression“.[1] Die Ergebnisse der Studie werden so zusammengefasst:
Patients of the experimental group showed a significantly better improvement of depression and a higher responder rate than those of the placebo group. The results suggest that oral application of a deficit oriented amino acid mixture can improve the therapeutic outcome of an antidepressant.
Das hört sich auffallend zurückhaltender an als die vollmundigen Heilsversprechen auf der Vitatonic-Website. Kein Wort über Effekte bei Gesunden! Das Präparat kann möglicherweise das therapeutische Ergebnis einer Behandlung mit Antidepressiva verbessern. Und: selbst die Kontrollgruppe hat sich in den Tests stark verbessert, die Vitatonic-Gruppe aber stärker (better improvement).

Nachtrag: Ich habe gerade festgestellt, dass die Website in den letzten Wochen (?) doch gründlich überarbeitet wurde. Inzwischen bezieht sich die Aussage zu Burnout und Depression recht eindeutig auf die Verbesserung der Medikamentenwirkung. Eine Version, die derjenigen, auf die ich mich zum Zeitpunkt des Verfassens bezog, zumindest ähnlich ist, ist hier beim Internetarchiv zu finden.

Stützt die eigene Studie die Behauptungen? Was ist Vitatonic überhaupt genau?

Vitatonic basiert auf einer Zusammenstellung von proteinogenen Aminosäuren, wie viele andere Nahrungsergänzungspräparate. Der Clou an Vitatonic: Auf Basis eines „Aminogramms“, einer Bestimmung der Aminosäurelevel im Blut, wird eine individuelle Rezeptur hergestellt, die „Defizite“ ausgleichen soll und so pharmakologisch wirken soll.

Belege dafür, dass diese Analysemethode echte Defizite im Körper aufzeigt, habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Was aber die orale Supplementierung angeht, sagt die Studie selber, dass sich die Aminosäure-Spiegel nach der Verabreichung nicht verändern. Teilweise erniedrigen sie sich sogar. Die Begründung wird auch gleich mitgeliefert:
Taurine was the only amino acid with an increase after therapy in patients of the experimental group. This may be due to the better resorption of taurine compared to the other amino acids. The serine levels were even lower for both groups after therapy than at baseline. A possible explanation is that serine is a very reactive amino acid with high concentrations in all cell membranes. The supply of amino acids could result in an increase of metabolism with an increased consumption of amino acids.
Mich überzeugt diese Begründung nicht wirklich. Letztendlich ist das ja auch nur Spekulation, aber das lässt den Ansatz, die ganze Therapie auf den Aminosäurespiegeln aufzubauen, weniger valide erscheinen.

Pharmakologische Wirkung von verschiedenen Aminosäuren

Wie sieht es allgemein mit empirischen Beweisen zu der pharmakologischen Wirkung von oralen Aminosäuresupplementen aus? Es gibt ein wahre Fülle an Studien, dabei sind aber wenige mit „harten Endpunkten“ dabei. Verschiedene Wirkungen von Aminosäure-Gaben scheinen belegt zu sein, etwa für Arginin oder Tryptophan. Dabei variiert die Studienqualität recht stark. Metastudien gibt es wenige, ich habe auf die Schnelle nur zu Trp eine Cochrane-Studie gefunden.

Ich war bei meiner oberflächlichen Recherche nicht besonders erfolgreich, die in Wikipedia-Einträgen zu den Aminosäuren beschriebenen pharmakologischen Effekte waren eher verhalten. Ich habe Prof. Spona nach klinischen Beweisen für die Wirkung von Aminosäuregaben gefragt, wobei er leider nicht sehr hilfreich war. Seiner Meinung nach mangelt es an Interesse der Industrie, da die Substanzen nicht patentierbar seien und somit auch an Forschungsgeldern. Somit gäbe es auch keine großen evidenzbasierten Studien. Die Erfahrungsberichte seien aber genauso gute empirische Beweise – in diesem Punkt bin ich und andere natürlich klar anderer Meinung.
Wenn jemand ein paar Studien in die Kommentare posten könnte, wäre ich sehr dankbar dafür.


Wenn Vitatonic pharmakologische Wirkungen entfaltet – müsste es nicht eher als Arzneimittel, denn als Nahrungsergänzungsmittel gelten? In Deutschland dürfen Nahrungsergänzungsmittel nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen beworben werden, wobei Aussagen zur Verringerung eines Krankheitsrisikos zulässig sind (siehe hier beim BfR). Diese Kriterien werden von Vitalogic erfüllt, denke ich.

Medikalisierung der Gesellschaft

Ich wand gegenüber Prof. Spona ein, dass es ein Trend sei, gegen jedes beliebige, noch so komplexe Problem einfach eine Pille einzuwerfen und sich dann einzubilden, dass diese das Problem beheben würde. Ein Beispiel dafür ist die grassierende Homöopathie-Seuche oder auch die Fischöl-Pillen-Manie im Vereinigten Königreich, über die Ben Goldacre immer mal wieder berichtet. Mit Vitatonic wird meiner Meinung dieser Trend unterstützt. Prof. Spona wies diesen Vorwurf zurück:

Aber ob das diese Kritik gerade bei Nahrungsergänzungsmittel einsetzen sollte?
Schuld sind, so wie immer, die anderen. Ich finde ja, wenn man keine Stoffwechselstörung hat und sich nicht einseitig ernährt, braucht man nie im Leben ein Nahrungsergänzungsmittel. Das sagt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Fazit

Meiner Meinung passt das alles hinten und vorne nicht. Das Produkt wird als „Komplettlösung zur Nahrungsergänzung“ beworben, die Wirkungsweise und die Effekte des Zusammenspiels des Cocktails wird an keiner Stelle kommuniziert. Wissenschaftliche Beweise werden auf der Website nicht gebracht, nur zweifelhafte Testimonials, die keine empirischen, kontrolliert erhobenen Daten ersetzen können. Überhaupt wird der Ansatz, fehlende Aminosäuren zu substituieren, niemals schlüssig nachvollziehbar dargelegt. Weisen Aminosäurespiegel im Blut wirklich auf einen physiologischen Mangel hin? Hat der „Ausgleich“ durch orale Supplementierung überhaupt einen krankheitsbezogenen Effekt? Wenn ja, wäre das dann nicht ein Arzneimittel?

Ich habe die ganze Sache noch nicht zu Ende gedacht, aber ich fürchte, ganz schlau werde ich daraus nie werden.

Nachtrag: ich bin übrigens positiv überrascht, dass die Aussagen auf der Website seit meinem Mailwechsel mit Prof. Spona (Februar/März 2010) deutlich vorsichtiger geworden sind. Ich habe wohl den Fehler gemacht, nicht noch einmal die Seite zu überprüfen, bevor ich diesen Artikel hier online gestellt habe.

Anmerkungen

[1]Hier ist der Studienbericht zu finden, in der 40 stationäre Depressions-Patienten beobachtet wurden. Die Hälfte bekam so etwas wie Vitatonic, also ein individuell zusammegestelltes Präparat, die andere Hälfte bekam ein Placebo. Depression, Selbstmordverhalten und Aggressionsverhalten wurden anhand von Fremdfragen-Tests beurteilt, etwa der Hamilton-Skala für die Beurteilung von Depressionen. Das sind natürlich keine „harten“ Endpunkte, dafür hätte man die wahre Selbstmordrate betrachten müssen usw.

Bildquellen

weißes Pulver: meggie auf flickr, CC-NC-BY-SA


Freitag, 11. Juni 2010

Mail an den WDR

Bitte einmal hier einen WDR-Beitrag über Schüßlersalze anschauen und mit den Ohren schlackern. Weil ich ja sonst nichts zu tun habe, protestiere ich öffentlich:
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin schockiert, wie unkritisch der WDR mit umstrittenen Heilungsmethoden umgeht. Von einem öffentlich-rechltichen Format (Bildungsauftrag!) kann man mehr erwarten! Konkret beziehe ich mich auf diesen Beitrag:
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/gesundheit/sendungsbeitraege/2010/0607/05_schuessler_salze.jsp

Anstatt darüber aufzuklären, dass die „Lehre“ der Schüßlerschen Salze darin besteht, esoterisch diagnostizierte Mineralstoffdefizite mit homöopathisch verdünnten Salzen zu beheben, wird munter die Selbstdarstellung der Schüßler-Anhänger vorgetragen.

Bei einer üblichen Dosierung von D6 (also 1:1.000.000 verdünnt) sind in einer Tonne Milchzucker etwa 1 Gramm Wirkstoff zu finden, wobei der normale tägliche Bedarf an verschiedenen Mineralien des Körpers schon höher liegt (z.B. Kalzium: ca. 1 Gramm, Natrium: ca. 4 Gramm). Der Versuch, auf diese Weise reale Defizite zu substituieren, mutet etwas selstam an. Bei einer D12-Potenz darf man sich entsprechend täglich Milchzucker im Megatonnenbereich zuführen.

Wie homöopathische Konzentrationen der Mineralien echte Defizite ausgleichen sollen, auf welchen seltsamen Kriterien die „Antlitzanalyse“ beruht, was echte Wissenschaftler über diesen pseudomedizinischen Schwachsinn zu sagen haben, habe ich in Ihrem Beitrag schmerzlich vermisst. Die Homöopathie als medizinische Therapie ist tot, was sie betreiben, kann man leicht als Leichfledderei bezeichnen.

In dem kurzen Beitrag wird zwar kurz darauf hingewiesen, dass es keine klinischen Belege für die Wirksamkeit gäbe, aber „Vielen sind die Erfahrungsberichte Beweis genug“. Als Vertreterin der „Schul“-Medizin wird eine Homöopathin, also Alternativheilerin, vorgestellt. Auf der Website finden sich Buchtipps zum Thema, nicht jedoch kritische Literatur. Bravo, das nenne ich ausgeglichene Berichterstattung!

Dabei ist der Standpunkt, der in der wissenschaftlichen Fachliteratur vetreten wird, eindeutig: Trotz hunderter (tausender?) Studien zur Homöopathie ist kein Wirksamkeitsnachweis erbracht worden. Ohne bewiesene Wirksamkeit muss eine Therapie verworfen werden, wie es auch in der „Schulmedizin“ gemacht wird.

Die persönliche Erfahrung über eine wissenschaftlich geführte Beweisführung zu stellen, ist mittelalterlich und mit den Grundprinzipien der modernen Medizin nicht zu vereinbaren.

Ich werde dieses Schreiben und ggf. Ihre Antwort in meinem völlig unbedeutenden Weblog veröffentlichen, sofern Sie nichts dagegen haben.

Mit freundlichen Grüßen
Martin **

Ich bezweifle ja, dass ich eine Antwort bekomme. Die Rechtschreibfehler sind in der Eile übrigens samt und sonders mit über den Äther gegangen.

Montag, 7. Juni 2010

Warum randomisierte kontrollierte Studien besser sind

Letztens bei Anna im Blog kam im Zusammenhang mit dem Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie die Frage auf, warum gut durchgeführte Studien besser sind als Intuition und Erfahrung. Heute habe ich übers GWUP-Blog einen Artikel aus dem Ärzteblatt gefunden, der darlegt, warum die randomisierte kontrollierte Studien der Königsweg bei der Prüfung von Therapieeffekten ist: Randomisierte kontrollierte Studien: Kritische Evaluation ist ein Wesensmerkmal ärztlichen Handelns. Dtsch Arztebl 2008; 105(11): A 565–70

Zitat übernommen von hier:
Die Resultate von RCT [Randomisierte kontrollierte Studien] widersprechen oft der unmittelbaren klinischen Erfahrung. Der günstige Spontanverlauf von Erkrankungen, die selektive Symptomschilderung durch Patienten und die selektive Wahrnehmung von Ärzten, der Arztwechsel von unzufriedenen Patienten und damit ein unvollständiges Follow-up, eine verzerrte Erinnerung und anderes mehr tragen dazu bei, dass im Versorgungsalltag Therapieeffekte oft zu positiv eingeschätzt werden. Die Versorgungspraxis gibt also ein tendenziell geschöntes Feedback …
Aderlässe und Klistiere für jegliche Beschwerden, Bettruhe bei Rückenschmerzen, zu großzügig verordnete kardiale Antiarrhythmika, Schonung des Herzkranken – RCT waren und sind das aufklärerische Instrument, um Vorurteilen und gefährlichen Praktiken zu begegnen. Ärzte müssen nachweisen, dass die von ihnen vorgeschlagenen Behandlungen nachweislich mehr nutzen als schaden. Dies lässt sich nur mit wissenschaftlich validen Studiendesigns belegen, mit RCT an prominenter Stelle. Diese kritische Evaluation wird damit zu einem zentralen Definitionskriterium eines verantwortungsvollen therapeutischen Handelns.”

Lesen!

Donnerstag, 3. Juni 2010

Weshalb Homöopathie Humbug ist

Jetzt muss ich auch mal über Homöopathie schreiben, das Blog wär irgendwie unvollständig ohne einen persönlichen Anti-Homöopathie-Artikel. Meine Abneigung gegen diese „Lehre“ sollte im Freundes- und Bekanntenkreis leidlich bekannt sein, es folgt also nach einer kurzen Einführung eine Auswahl an wichtigen Punkten, die das Thema für mich so unplausibel macht.

Ursprung, Praxis und postulierte Wirkprinzipien der Homöopathie

Samuel Hahnemann entwickelte vor mehr als 200 Jahren im Selbstversuch seine eigene Hypothese von wirksamen Medikamenten. Gemessen an den Methoden seiner Zeit wirklich war er richtig fortschrittlich. Damals waren Methoden wie der Aderlass noch an der Tagesordnung – ein Verfahren, dass die Menschen umbringt und nicht etwa kuriert. Dargelegt hat er es im „Organon der Heilkunst“, in der er seine Homöopathie als einzige rationale Heilkunst darstellte.

Mittelalterliche Medizin: Aderlässe (Bildquelle)

Die Homöopathie fußt auf zwei Prinzipien, die beide als überholt gelten müssen, nämlich dem Simile-Prinzip und der Potenzierung. Das Simile-Prinzip besagt, dass man „Ähnliches durch Ähnliches heilen“ können soll (similia similibus curentur, Hahnemann). So soll die ausgewählte Substanz die Symptome kurieren, welche am Gesunden durch ebendiese Substanz hervorgerufen werden. Selbstgewähltes Besipiel: Werden durch Arsenvergiftung etwa die Fingernägel brüchig, müsste Arsen gegen brüchige Fingernägel helfen. In der Praxis wird der Homöopath nach einer ausführlichen Anamnese des Patienten entsprechend der Symptomatik das passende Mittel aus umfangreichen Katalogen auswählen.
Nach seinem berühmten, aber nicht reproduzierbaren Selbstversuch mit Chinarinde formulierte Hahnemann 1796 das Simile-Prinzip als Postulat. Dabei ist es ursprünglich viel älter, entsprechende Hinweise finden sich schon bei Paracelsus und Hippokrates.

Das Simile-Prinzip ist simplifizierend, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und ist einfach falsch. Es existiert kein Medikament, das diesen Kriterien genügen würde, die Wirklichkeit ist wieder einmal etwas komplizierter. Mit dem heutigen Wissen um die Wirkung von pharmakalogischen Substanzen auf biochemischer Ebene ist es einfach unlogisch, denn der Wirkmechanismus eines Medikaments muss nicht zwingend die Symptome hervorrufen, gegen die es wirken soll. Ein Symptom (etwa Leberentzündung, Hepatitis) ist auch nur die Folge einer zugrundeliegenden Erkrankung, die von unterschiedlicher Art sein kann (bei Hepatitis: neben Autoimmunhepatitis und Virusinfektionen viele weitere Ursachen).

Wir halten fest: Ganz im Gegensatz zum Selbstbild der Homöopathie, werden mit ihr nur die Symptome behandelt. Die vielgescholtene „Schulmedizin“ hat durch ihren naturwissenschaftlichen Hintergrund oft die Möglichkeit, auch die Ursachen einer Erkrankung zu beseitigen.

Potenzierung bezeichnet ein serielles, rituell durchgeführtes Verdünnen und „Verschütteln“ der Wirksubstanzen, womit diese in ihrer Wirksamkeit verstärkt werden sollen. Die Stoffe werden in der Regel so weit verdünnt, dass kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr im endgültigen Präparat vorhanden sind.[1] Vielmehr sind die Verunreinigungen aus dem Verschlusskorken, dem Glas des Behälters, destilliertes Wasser und Apothekeralkohol viel höher konzentriert als die „potenzierte“ Substanz. Und die verschiedenen Moleküle der in der Lösung, egal ob Wirksubstanz oder Verunreinigung, können nicht entscheiden, ob sie gerade „potenziert“ werden sollen oder das Nachbarmolekül.

Laut Hahnemann wirkt das Medikament aber umso stärker, je stärker es potenziert (also verdünnt wurde). Die Logik dahinter habe ich noch nicht durchschaut. Ich nehme an, es gibt keine.

Postulierte Wirkmechanismen, Erklärungsversuche

Physikalische Grundlagen kann die Homöopathie also nicht haben, weshalb sich die Befürworter immer wieder auf persönliche Erfahrungen und Anekdoten („wer heilt, hat recht“), sowie generelle Kritik am Wissenschaftsbetrieb, der Pharmaindustrie oder der konventionellen Ärzteschaft zurückziehen. Die wenigen, die ernsthaft auf der Suche nach einem möglichen Wirkprinzip sind, berufen sich gerne auf das „Wassergedächtnis“ und quantenphysikalische Phänomene.

Ein Wassergedächtnis existiert nicht. Wasser kann keine geordneten Strukturen beibehalten, die länger als ein paar Nanosekunden bestehen bleiben, geschweige denn, die Aufnahme in die Körperzellen überleben würden. Die beliebteste Darreichungsform von Homöopathika sind derweil Milchzuckerkügelchen, so genannte Globuli, bei denen das Prinzip ein Wassergedächtnisses hinfällig ist.

Quantenphysikalische Erklärungsversuche werden meist mit viel Geschwurbel vorgetragen, dabei muss aber unbedingt das Wort „Quantenverschränkung“ fallen. An diesem Punkt hat sich der Vortragende in aller Regel als völlig ahnungslos bloßgestellt und jede weitere Diskussion wird fruchtlos verlaufen. Quanteneffekte laufen natürlich nicht auf makroskopischer Ebene ab und Quantenverschränkung hat auch nichts mit Informationsübertragung zu tun.

Schaurige Ausgangssubstanzen

Oft werden Homöopathika als „etwa Pflanzliches“ angepriesen. Doch werden regelmäßig aus giftigen Schwermetallen wie Quecksilber oder Blei, oder auch Innereien von Enten (Oscillo Coccinum, gegen Grippe!) Homöopathika hergestellt. Zwar weniger traditionell, kann man auch Hundekot, radioaktives Material, Spiegel, und sogar Wasser und Mondlicht potenzieren. Es gibt nichts, woraus man nicht auch ein Homöopathikum herstellen könnte. Florian Freistetter hat auf seinem Blog noch viele weitere Beispiele zusammengetragen in dem Artikel „Medikamente aus Hundekot?“.
Ich will damit sagen, dass unter Vorspiegelung der Wissenschaftlichkeit okkult anmutender Hokuspokus betrieben wird, der in keinem Fall seriöse Heilungsmethode sein kann, wenn man einmal von einer Placebotherapie absieht.

Drollige Gegenanzeigen

In §284 des Organons[2]  klärt Hahnemann darüber auf, was Gegenanzeigen der homöopathischen Mittel sind, mit den Worten: „Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll.“
Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräutertee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus. Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z.B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Übermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben u.s.w.

Wenns also mal nicht klappt, findet man sicher etwas passendes aus der obigen Aufzählung, was das Ausbleiben eines Therapieerfolgs erklärt.

Wirksamkeitsnachweise

Gibt es nicht. Es wurden zahllose Studien durchgeführt, von Homöopathen und Nicht-Homöopathen, Meta-Analysen dieser Studien und Meta-Analysen der Meta-Analysen. An der Charité existiert sogar eine Stiftungs-Professur, die sich den wissenschaftlichen Nachsweis homöopathischer Wirkung auf die Fahnen geschrieben hat. Die Charité hat dafür eine Million Euro bekommen[3], um sich ihren Ruf von Prof. Claudia M. Witt ruinieren zu lassen.

Das Ergebnis der ganzen Bemühungen lässt sich mit „Homöopathie ist Hexerei“ zusammenfassen. Mehr dazu auch hier und hier von Ben Goldacre.

Aber wenn es doch nicht schadet?

Ich höre immer, ich soll den Leuten doch ihr Zeug lassen, wenn es ihnen hilft. Mach ich auch, jeder kann selbst entscheiden, wie weit der Selbstbetrug bei der Selbstmedikation gehen soll. Wenn aber Krankenkassen anfangen, derartige sinnlose „Therapien“ zu finanzieren und Ärzte meinem Kind Homöopatika verschreiben, hört der Spaß auf.

Eine Fortschrittsgesellschaft, die ihre Errungenschaften und Erfolge auf der Wissenschaft begründet, kann nicht auf der anderen Seite wissenschaftliche Erkenntnisse zur Homöopathie ignorieren. Wo das letztlich hinführt, haben wir in Thabo Mbekis Südafrika gesehen, wo mehr als 300.000 Menschen unnötigerweise an AIDS sterben mussten, weil man ihnen wirksame retrovirale Medikamente voranthalten hat. Stattdessen sollten sie rote Bete, Zitronenöl und Konblauch essen, proklamierte damalige Gesundheitsministerin Tshabalala-Msimang.

Nicht zuletzt finde ich, der Arzt darf mich als Patienten nicht über die Wirkung des verabreichten Medikaments belügen, auch wenn im konkreten Fall eine Placebotherapie sinnvoll wäre, denn sonst könnte ich kein Vertrauen in die Entscheidungen meines Arztes haben.

Anmerkungen

[1] Es wird eine D- und C-Notation verwendet, wobei die Ausgangssubstanz 1:10 (D) oder 1:100 (C) verdünnt wird und diese Verdünnung so oft wiederholt wird, wie es vorgeschrieben ist. D78 entspricht einer 78 Mal aufeinanderfolgende 1:10-Verdünnung, also einer 1:1078-Verdünnung. Die Zahl der Teilchen im ganzen Universum wird aber auf „nur“ 1078 Teilchen geschätzt. Also müsste bei D78 ein Molekül Wirksubstanz in allen Teilchen des Universums verdünnt werden. Es gibt aber sogar C300-Verdünnungen. Man kann sich leicht ausmalen, dass in seinem Endpräparat nichts von der Ausgangssubstanz mehr vorhanden sein dürfte.
[2]Ich beziehe mich hier auf die 3. Ausgabe von 1824, einsehbar und als zum Download als PDF via Google Books. Die zitierte Textstelle findet sich in einer Fußnote auf Seite 253. In der letzten, 6. Ausgabe findet sich die Notiz in §260.
[3]Pressemitteilung der Carstens-Stiftung vom 23. Mai 2007 (PDF)

(Nachtrag: Erläuterung zum Simile-Prinzip korrigiert. Danke, Anna!)