Mittwoch, 28. Juli 2010

Natürliche Kanzerogene in Lebensmitteln

Weils die Diskussion um die Signifikanz von synthetischen Kanzerogenen so schön ist, und weil mein Bio-Artikel dahingehend etwas ausgebaut wurde, hole ich die natürlichen krebserzeugenden Substanzen nochmal nach vorn.


Krebserzeugende Gifte kommen natürlicherweise massig in Lebensmitteln vor. Der Organismus muss evolutiv Abwehrmechanismen entwickelt haben, um mit dieser Giftlast in der Nahrung klarzukommen. Diese Mechanismen sind aber nicht nur für Gifte natürlichen Ursprungs gültig, denn chemisch kann zwischen einem synthetischen und einem natürlichen Gift nicht unterschieden werden. Die Mechanismen, wie Kanzerogene, egal welcher Herkunft erkannt und entgiftet werden, meist sehr ähnlich. Es gibt schlicht keine Basis, dem Organismus zu unterstellen, er komme mit natürlichen Kanzerogenen gut zurecht, nicht aber mit synthetischen.

Laut einer bekannten Artikelreihe von Bruce Ames[1] wird die Gefahr, die von synthetischen Chemikalien ausgeht, systematisch überschätzt. Die Menge an natürlichen Schadstoffen, die wir täglich aufnehmen, lässt die Belastung durch synthetische Kontaminanten und Rückstände lächerlich gering erscheinen – zumindest in den durchregulierten und -kontrollierten westlichen Märkten.

Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung, nach dessen Umfragen die meisten Verbraucher sehr wenig über das Risikopotenzial, gesetzliche Höchstmengen und die Wirkungsweise von Pestiziden wissen.

Unten habe ich eine lose Liste von natürlichen, krebserregenden Schadstoffen zusammengestellt, die mir so über den Weg gelaufen sind.

Kanzerogene aus Schimmelpilzen

Krebserzeugende Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) stammen von Pilzen, die während der Lagerung oder bereits auf dem Feld Nahrungspflanzen befallen. Aflatoxin aus dem Gießkannenschimmel (Aspergillus spec.) ist das gefährlichstes bekannte Humankanzerogen. Es kommt vor allem auf Nüssen, Feigen, Weizen und Reis vor. Ochratoxin aus Aspergillus ochraceus und Penicillium verrucosum kommt in Kaffeebohnen, Hülsenfrüchten, besonders aber in Getreide und Getreideprodukten vor.  Pilze der Gattung Fusarium produzieren viele sehr unterschiedliche Gifte, etwa Fumonisine und Trichothecene. Sie sind Teil der Pilzflora auf dem Acker. Auch in Speisepilzen kommen Kanzerogene vor, so enthalten Champignons Agaritin, das bei Mäusen Tumore an Blutgefäßen auslöst.

Kanzerogene in Pflanzen

Zahlreiche Pflanzenstoffe werden als krebserregend diskutiert, bzw. haben krebserregende Wirkung in Nagern[2]: Sesamol (in Sesam), Methyleugenol (in Fenchel, Anis, Muskat), Estragol (in Basilikum und Estragon), Safrol (in Safran), Capsaicin (in Paprika und Chilis), Methoxypsoralene (in Petersilie und Sellerie) und Thyiocanate, die aus Senfölglykosiden freigesetzt werden (in Kohlgemüsen). Dazu kommen phenolische Substanzen, die in relativ hohen Gehalten in Pflanzenprodukten enthalten sind, z.B. Kaffeinsäure, Katechol und Chlorogensäure. Die meisten Pflanzenstoffe sind aber hinsichtlich ihres krebserzeugenden Potenzials nicht untersucht, es sind also sicher sehr viel mehr.

Kanzerogene, die durch die Zubereitung entstehen

Acrylamid bildet sich unter starker Erhitzung in stärkehaltigen Lebensmitteln, heterozyklische aromatische Amine (HAA) beim Braten und Grillen von eiweißhaltigen Lebensmitteln, und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) bei allen Verbrennungsvorgänge organischen Materials, also auch beim Grillen durch verbrennendes Fett. Dabei ist es egal, ob das Fett in der Holzkohle verbrennt, oder auf einer elektrischen Heizspirale.

***

Natürlich gibt es außerdem noch viele synthetische Kanzerogene, die ich hier nicht abhandeln will. Sie bekommen, wie gesagt, schon sehr viel Aufmerksamkeit, wogegen die natürlichen Krebserzeuger oft unter den Tisch gefallen lassen werden.

[1]Knasmüller S, Parzefall W, Schwab C (2001): Kanzerogene und gentoxische Substanzen in Lebensmitteln und natürliche Protektionsmechanismen in Journal für Ernährungsmedizin 2001; 3 (1) (Ausgabe für Österreich), 5-16
[2] Etwa „Dietary pesticides (99.99% all natural)“ in PNAS, 1990 vol. 87 no. 19 7777-7781 oder auch der NCPA Policy Report von Ames und Gold aus dem Jahr 1998

3 Kommentare:

  1. Gerade bei Capsaicin wäre ich an Quellen interessiert – da habe ich nämlich schon sehr widersprüchliche Aussagen zu gehört, und ein kurzer Blick auf die (englische) Wikipedia-Seite bestätigt dies. Anders gesagt: wie sicher sind denn diese Erkenntnisse im einzelnen?

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  2. Gar nicht sicher, denn ich habe gar nicht jede einzelne Substanz einzeln überprüft. Ich habe die gestern neu eingepflegten Substanzen von hier übernommen, das hab ich im Hauptartikel auch so angegeben.

    Das war unter Umständen nicht so klug. Muss ich also nochmal ran.

    Danke für den Hinweis!

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  3. So rächt es sich, wenn man in aller Eile ungeprüft übernimmt – mein Ruf ist jetzt wohl dauerhaft geschädigt. :) Ich hab versucht, im Artikel mal durch ein paar Links zu The Carcinogenic Potency Database (CPDB) Fachwissen vorzutäuschen. Ich setz mich später sicher noch mal ran.

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