Donnerstag, 17. Juni 2010

Babys homöopathisch misshandeln (ELTERN-Zeitschrift 7/2010)

Die Eltern-Zeitschrift wirbt auf dem Titel ihrer aktuellen Ausgabe (07/2010) „Babys homöopathisch behandeln“. Im zugehörigen Artikel wird wieder einmal völlig unkritisch mit homöopathischen Heilsversprechen umgegangen. Nach einem kurzen Abriss über das Selbstbild der Homöopathen gibt es eine Reihe von Tips, welche Mittelchen bei welchen Beschwerden helfen und wann man zum Arzt gehen sollte. Kein Wort davon, wie Homöopathika hergestellt werden und dass in Globuli und Tropfen zumeist kein Wirkstoff mehr enthalten ist. 

Warum sind diese „alternativen“ Heilmethoden in letzter Zeit so in Mode gekommen? Warum sind sie offenbar besonders bei Eltern junger Kinder so beliebt?

Ich erkläre es mir so: Eltern sind ständig um das Wohlergehen ihrer Kinder besorgt, dabei  hat die konventionelle Medizin den Ruf, eine „Fließbandabfertigung“ ohne Aufmerksamkeit für die persönlichen Bedürfnisse der Patienten zu praktizieren. Konventionelle Medikamente („Chemie“) haben den Ruf, viele Nebenwirkungen zu haben und den Körper unnötig zu belasten.

Die Selbstmedikation mit homöopathischen Arzneimitteln kommt da wie gerufen – diese werden als „natürlich“, „sanft“ und „nebenwirkungsfrei“ angepriesen. Dazu sind sie auch noch relativ günstig und man spart sich den stressigen Besuch beim Arzt.

Dabei halten Homöopathika keines von diesen Versprechen. Homöopathie hat mit Naturheilkude überhaupt nichts zu tun, Samuel Hahnemann hat sie sich im 18. Jahrhunder ausgedacht. Damals wusste er und niemand etwas über Infektionserreger und Hygiene, Hormone, das Immunsystem oder Biochemie. Seine Theorien mögen für die damalige Zeit fortschrittlich gewesen sein – da aber in den letzten 200 Jahren kein Wirksamkeitsbeweis erbracht werden konnte, müssen sie heute als überholt gelten. Wenn einem Kind bei einer ernsthaften Erkrankung eine wirksame Behandlung vorenthalten wird, muss es unnötig leiden. Auch wird man einem kranken Kind nie ein ungetestetes Medikament verabreichen wollen, bei Homöopathika wird auf diese Tests einfach verzichtet.

Viele Beschwerden verflüchtigen sich, wenn man einfach abwartet und die Selbstheilungskräfte des Körpers walten lässt – eine Erkältung etwa ist in der Regel nach ein paar Tagen vorbei. Die einzige Alternative zum Abwarten ist der Arztbesuch, und nicht das verabreichen wirkungsloser Mittel. Hier ist die Gefahr, dass man die Schwere der Erkrankung verkennt und sich zu spät dem Mediziner vorstellt. Entsprechend sind neben einer Milchzuckerunverträglichkeit Globuli nicht nebenwirkungsfrei. Das Ausbleiben einer Behandlung kann sehr wohl Effekte haben. Ich empfehle zum Thema die Reihe „Kindesmissbrauch durch alternative Heilmethoden“ (Teil 1, 2, 3, 4) im Esoblog.

Man muss dem Artikel zugute halten, dass er sich auf kleinere Probleme (etwa Windelwundsein oder Durchfall) beschränkt und schwerere Erkrankungen wie Mittelohrentzündung etc. gar nicht erst thematisiert. Auch wird der Arztbesuch nahegelegt, wenn die Symptome zu stark werden. Trotzdem wird komplett verschwiegen, dass in den Präparaten keine Wirksubstanzen enthalten sind und seit 200 Jahren ein Wirksamkeitsnachweis aussteht. Ich erwarte, dass man mit mir als Leser ehrlich umgeht und über die Hintergründe der Homöopathie aufklärt (Bei Gedankenabfall: Weshalb Homöopathie Humbug ist).

Rechnet man realistischerweise mit dem Preis für reinen Milchzucker, sind homöopathische Globuli plötzlich nicht mehr „günstig“, sondern vergleichsweise teuer. Milchzucker kann man beim Carl-Roth-Versand im Kilogramm-Gebinde kaufen (€ 14,40). Noch einfacher wird es natürlich mit sauberem Wasser, das meist aus der Leitung kommt und gegenüber homöopathischen Tropfen unschlagbar günstig ist.

(Ich werde diesen Blogeintrag noch zu einer Mail an die Eltern-Redaktion umwursten und die Antwort hier einstellen.)

Bildquelle

Titelbild der aktuellen Ausgabe (07/2010) von Eltern.de: Seite „Abo bestellen

Mailkorrespondenz mit der Eltern-Redaktion

Nachdem ich der Eltern-Redaktion am 17. Juni meine Bedenken mitgeteilt habe (im Wesentlichen oben geschildert), bekam ich heute von Sabine Lotz eine Antwort. Ich darf ihre Mail jedoch aus „rechtlichen Gründen“ nicht hier veröffentlichen, weshalb ich ihn inhaltsgemäß im Folgenden wiedergebe.

Frau Lotz dankt mir für mein ausführliches Schreiben. Sie schreibt, dass ihr die „Kritikpunkte“, die ich aufzählen würde, bekannt seien, aber es auch eine Menge Befürworter dieser „Medizinrichtung“ gäbe. Darunter seien auch seriöse Ärzte. Zu beurteilen, wer Recht hätte, könne man sich nicht erlauben. Der Eltern-Redkation wäre es außerdem ein Anliegen, „Eltern, deren Kinder unter leichteren Beschwerden leiden, eine Selbsthilfemöglichkeit an die Hand zu geben“, wobei ein Artbesuch bei schweren Fällen unerlässlich sei.

Ich antwortete:
Sehr geehrte Frau Lotz,

ich bedaure, dass Sie mein Schreiben derart gründlich fehlinterpretieren.

Mir ging es in keiner Weise darum, die Homöopathie zu kritisieren, sondern den Umgang mit zweifelhaften medizinischen Methoden in Ihrem Heft.

Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass Homöopathie besser wirkt als ein Plazebo. Wenn Sie mit ELTERN der Pseudo-Wissenschaft unreflektiert ein Forum bieten wollen, tut mir das sehr leid. Es offenbart einen unkritischen Umgang mit den Fragen, die in dem Heft behandelt werden – das muss ich von nun an auch bei den anderen Artikeln im Hinterkopf behalten.

Ich denke, Sie sind es Ihren Lesern schuldig, sie über die Homöopathie-Hypothese aufzuklären, wenn Sie darüber berichten, sodass sie sich selbst ein Urteil bilden können. Dass Sie es sich aber umgekehrt ganz einfach machen und auf die Autorität der Ärzte als Messlatte heranziehen, lässt mich nur vermuten, dass Sie selbst eine gründliche Hintergrundrecherche unterlassen haben. Es zeigt, dass Sie sich selbst eben kein Urteil gebildet haben, wie Sie in Ihrer Mail ja auch ganz offen zugeben.

Wie kann man einerseits Ratschläge verteilen und sich andererseits über die Ratschläge kein Urteil gebildet haben? Sind Sie bei allen im Heft behandelten Themen so unkritisch?

Um kurz auf den Inhalt Ihrer Mail einzugehen: Sie argumentieren mit der Akzeptanz der Methode durch „zahlreiche seriöse Ärzte“, unterschlagen aber, inwiefern das die Validität der Methode beweisen soll. Ich bezweifle, dass Sie verlässliche Zahlen über die „Akzeptanz“ unter Ärzten haben, und wenn doch, würde das immer noch nichts beweisen. Ein Arzneimittel hat sich in klinischen Studien hinsichtlich der Wirksamkeit und der Sicherheit zu behaupten, und wird nicht an der Beliebtheit gemessen. Hätten wir uns diese Philosophie zu Eigen gemacht, würde wir noch heute Aderlässe praktizieren!

Kein *seriöser* Arzt wendet Homöopathie [an], außer er will seinen Patienten täuschen.

Mit freundlichen Grüßen
Martin ***

Evidenz ist nicht gleich evidence?

Da musste ich gerade feststellen.

Bisher habe ich, gerade wegen des Begriffs „evidenzbasierte Medizin“ (original englisch: evidence based medicine) die beiden Begriffe als synonym verwendet. Stattdessen ist die Evidenz genau das Gegenteil eines Beweises (evidence), nämlich ein Sachverhalt, der unmittelbar ohne besondere methodische Aneignung klar auf der Hand liegt (obviousness). Im allgemeinen Sprachgebrauch ist mir diese Bedeutung eigentlich auch geläufig: ein offensichtlicher Sachverhalt ist „evident“.

„Evidenzbasierte Medizin“ ist also eigentlich eine Fehlübersetzung, die mich ganz schön in die Irre geführt hat. Bemerkenswerterweise ist das in meinem Umfeld aber bisher niemandem aufgefallen (oder niemand hat mir das mitgeteilt), vielleicht weil die Wissenschaft inzwischen so stark von der englischen Sprache geprägt ist?

Dienstag, 15. Juni 2010

Masernausbruch an einer Waldorfschule in Essen

In Essen kam es im März zu einem Ausbruch der Masern mit 71 Erkrankten, davon mussten 4 stationär behandelt werden. Völlig überraschend war der Ausgangspunkt eine Waldorfschule, an der nur 59% der Schülerschaft geimpft war. Das Gesundheitsamt empfahl daraufhin dringend eine Riegelungsimpfung bei den restlichen Schülern, völlig überraschend zeigte der überwiegende Teil der Elternschaft keine Bereitschaft, diese Impfung durchführen zu lassen. Die ungeimpften Kinder, und solche, die noch keine Erkrankung durchgemacht haben, wurden vom Unterricht ausgeschlossen, was unter den Eltern für Empörung sorgte. Ausgehend von der Essener Schule hat sich das Virus in angrenzende Kommunen (Gelsenkirchen, Mettmann, Wuppertal und Oberhausen) ausgebreitet.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass die Krankheit an anthroposophischen Einrichtungen ausgebrochen ist. Erst im Januar hat ein Berliner Waldorfschüler das Masernvirus aus Indien eingeschleppt und in der Folge sind 62 Personen überwiegend in Waldorf-Schulen und -Kitas erkrankt. Im März 2008 gab es eine große Epidemie von 178 Fällen im Raum Salzburg, die von einer anthroposophischen Schule ausging. Zur Jahreswende 2001/02 traten 180 Fälle in anthroposophischen Kindergärten in Verden auf. Ein Kind bekam in der Folge eine Enzephalitis. Von den Erkrankten waren 179 ungeimpft. 2001 erkrankten im Kreis Coburg 1200 Menschen, Ausgangspunkt der Epidemie war eine anthropsophische Schule. Diese Liste ist nicht vollständig und ungerichtet ergoogelt. Sie zeigt aber, dass eines naheliegt:
Masern werden in Deutschland von Waldorfschule zu Waldorfschule übertragen.
Im Lancet erschien 1999 ein Artikel, nach denen nur 18% von Schülern antroposophischer Einrichtungen, aber 95% von staatlichen Einrichtungen geimpft sind (Alm JS et al(1999), Lancet 353 (9163):1485-1488). Der Grund: Viele Anthropsophen lehnen eine Masern-Impfungen ab, da die Erkrankung angeblich eine „sinnhafte Wirkung“ haben könnte. Rudolf Steiner (Bild rechts) hat mit rite in Philophie promoviert und ist anschließend mit seiner Habilitation gescheitert. Da ihm so eine akademische Karriere nicht mehr offen stand, hat er sich einfach ein eigenes esoterisch-okkultes Weltbild ausgedacht, in dem Krankheiten Folge einer gestörten Wechselwirkung der vier Wesensglieder sind.

Es steht jedem frei, jeden Unsinn zu glauben, den er will, aber es sollten gefälligst nicht die Kinder darunter leiden, die nicht bewusst über das für und wider eine Impfung entscheiden können. Masern sind eine ernstzunehmende Erkrankung, die zu schweren Komplikationen führen kann. In Nordrhein-Westfalen gab es 2006/07 eine große Epidemie, bei der über 2000 Menschen erkrankten, davon 15 Prozent schwer. Zwei Säuglinge verstarben.

Da ein sehr guter Impfstoff existiert, sind Masern ein völlig unnötiges Gesundheitsrisiko. Glücklicherweise ist die Krankheit global und deutschlandweit auf dem Rückzug, dank einer insgesamt stetig steigenden Durchimpfungsrate.

Weiterlesen zum Thema Anthroposophie

Ruhrbarone: Drei Gründe für die Waldorfschule
Nachrichten aus der Welt der Anthroposophie: Gemeingefährlich statt gemeinnützig

Quelle

Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 23/2010
Robert-Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin 16/2010

Samstag, 12. Juni 2010

Das Nahrungsergänzungsmittel Vitatonic(TM) von Prof. Jürgen Spona

Die österreichische Firma Vitalogic bewirbt das Nahrungsergänzungsmittel Vitatonic, das wundersame Wirkungen entfalten soll.
Ihr Teint wird wieder frisch wirken, die Hautqualität verbessert sich. Haarausfall nimmt ab, Ihr Haar wird wieder kräftig und glänzend, auch brüchige Nägel gehören der Vergangenheit an.
Das ist aber noch längst nicht alles. Außerdem verspricht Vitatonic „Steigerung von Leistungsfähigkeit, Denkleistung und Konzentration“ und sogar „Stimulation des Immunsystems“ und „Steigerung der Konzentration“. Aushängeschild ist die angebliche Wirkung gegen Burnout und Depression. Ein Allround-Präparat also, das gegen eine Bandbreite von Alltags-Problemen helfen soll.

Belege?

Neben den üblichen Erfahrungsberichten ist eine Autorität der Beweis der Wirksamkeit: der Chef, Prof. Jürgen Spona, der das Mittel nach „15 Jahren Forschung“ ausgeheckt hat. Spona ist ein echter Wissenschaftler, der gelegentlich auch publiziert. Seine Erkenntnisse werden auf der Website in den höchsten Tönen besungen.

Die wissenschaftliche Basis für die Wirksamkeit von Vitatonic ist meiner Meinung nach ziemlich bescheiden, trotz der eigens durchgeführten klinischen doppelblinden Studie zu „Burnout und Depression“.[1] Die Ergebnisse der Studie werden so zusammengefasst:
Patients of the experimental group showed a significantly better improvement of depression and a higher responder rate than those of the placebo group. The results suggest that oral application of a deficit oriented amino acid mixture can improve the therapeutic outcome of an antidepressant.
Das hört sich auffallend zurückhaltender an als die vollmundigen Heilsversprechen auf der Vitatonic-Website. Kein Wort über Effekte bei Gesunden! Das Präparat kann möglicherweise das therapeutische Ergebnis einer Behandlung mit Antidepressiva verbessern. Und: selbst die Kontrollgruppe hat sich in den Tests stark verbessert, die Vitatonic-Gruppe aber stärker (better improvement).

Nachtrag: Ich habe gerade festgestellt, dass die Website in den letzten Wochen (?) doch gründlich überarbeitet wurde. Inzwischen bezieht sich die Aussage zu Burnout und Depression recht eindeutig auf die Verbesserung der Medikamentenwirkung. Eine Version, die derjenigen, auf die ich mich zum Zeitpunkt des Verfassens bezog, zumindest ähnlich ist, ist hier beim Internetarchiv zu finden.

Stützt die eigene Studie die Behauptungen? Was ist Vitatonic überhaupt genau?

Vitatonic basiert auf einer Zusammenstellung von proteinogenen Aminosäuren, wie viele andere Nahrungsergänzungspräparate. Der Clou an Vitatonic: Auf Basis eines „Aminogramms“, einer Bestimmung der Aminosäurelevel im Blut, wird eine individuelle Rezeptur hergestellt, die „Defizite“ ausgleichen soll und so pharmakologisch wirken soll.

Belege dafür, dass diese Analysemethode echte Defizite im Körper aufzeigt, habe ich auf die Schnelle nicht gefunden. Was aber die orale Supplementierung angeht, sagt die Studie selber, dass sich die Aminosäure-Spiegel nach der Verabreichung nicht verändern. Teilweise erniedrigen sie sich sogar. Die Begründung wird auch gleich mitgeliefert:
Taurine was the only amino acid with an increase after therapy in patients of the experimental group. This may be due to the better resorption of taurine compared to the other amino acids. The serine levels were even lower for both groups after therapy than at baseline. A possible explanation is that serine is a very reactive amino acid with high concentrations in all cell membranes. The supply of amino acids could result in an increase of metabolism with an increased consumption of amino acids.
Mich überzeugt diese Begründung nicht wirklich. Letztendlich ist das ja auch nur Spekulation, aber das lässt den Ansatz, die ganze Therapie auf den Aminosäurespiegeln aufzubauen, weniger valide erscheinen.

Pharmakologische Wirkung von verschiedenen Aminosäuren

Wie sieht es allgemein mit empirischen Beweisen zu der pharmakologischen Wirkung von oralen Aminosäuresupplementen aus? Es gibt ein wahre Fülle an Studien, dabei sind aber wenige mit „harten Endpunkten“ dabei. Verschiedene Wirkungen von Aminosäure-Gaben scheinen belegt zu sein, etwa für Arginin oder Tryptophan. Dabei variiert die Studienqualität recht stark. Metastudien gibt es wenige, ich habe auf die Schnelle nur zu Trp eine Cochrane-Studie gefunden.

Ich war bei meiner oberflächlichen Recherche nicht besonders erfolgreich, die in Wikipedia-Einträgen zu den Aminosäuren beschriebenen pharmakologischen Effekte waren eher verhalten. Ich habe Prof. Spona nach klinischen Beweisen für die Wirkung von Aminosäuregaben gefragt, wobei er leider nicht sehr hilfreich war. Seiner Meinung nach mangelt es an Interesse der Industrie, da die Substanzen nicht patentierbar seien und somit auch an Forschungsgeldern. Somit gäbe es auch keine großen evidenzbasierten Studien. Die Erfahrungsberichte seien aber genauso gute empirische Beweise – in diesem Punkt bin ich und andere natürlich klar anderer Meinung.
Wenn jemand ein paar Studien in die Kommentare posten könnte, wäre ich sehr dankbar dafür.


Wenn Vitatonic pharmakologische Wirkungen entfaltet – müsste es nicht eher als Arzneimittel, denn als Nahrungsergänzungsmittel gelten? In Deutschland dürfen Nahrungsergänzungsmittel nicht mit krankheitsbezogenen Aussagen beworben werden, wobei Aussagen zur Verringerung eines Krankheitsrisikos zulässig sind (siehe hier beim BfR). Diese Kriterien werden von Vitalogic erfüllt, denke ich.

Medikalisierung der Gesellschaft

Ich wand gegenüber Prof. Spona ein, dass es ein Trend sei, gegen jedes beliebige, noch so komplexe Problem einfach eine Pille einzuwerfen und sich dann einzubilden, dass diese das Problem beheben würde. Ein Beispiel dafür ist die grassierende Homöopathie-Seuche oder auch die Fischöl-Pillen-Manie im Vereinigten Königreich, über die Ben Goldacre immer mal wieder berichtet. Mit Vitatonic wird meiner Meinung dieser Trend unterstützt. Prof. Spona wies diesen Vorwurf zurück:

Aber ob das diese Kritik gerade bei Nahrungsergänzungsmittel einsetzen sollte?
Schuld sind, so wie immer, die anderen. Ich finde ja, wenn man keine Stoffwechselstörung hat und sich nicht einseitig ernährt, braucht man nie im Leben ein Nahrungsergänzungsmittel. Das sagt auch das Bundesinstitut für Risikobewertung.

Fazit

Meiner Meinung passt das alles hinten und vorne nicht. Das Produkt wird als „Komplettlösung zur Nahrungsergänzung“ beworben, die Wirkungsweise und die Effekte des Zusammenspiels des Cocktails wird an keiner Stelle kommuniziert. Wissenschaftliche Beweise werden auf der Website nicht gebracht, nur zweifelhafte Testimonials, die keine empirischen, kontrolliert erhobenen Daten ersetzen können. Überhaupt wird der Ansatz, fehlende Aminosäuren zu substituieren, niemals schlüssig nachvollziehbar dargelegt. Weisen Aminosäurespiegel im Blut wirklich auf einen physiologischen Mangel hin? Hat der „Ausgleich“ durch orale Supplementierung überhaupt einen krankheitsbezogenen Effekt? Wenn ja, wäre das dann nicht ein Arzneimittel?

Ich habe die ganze Sache noch nicht zu Ende gedacht, aber ich fürchte, ganz schlau werde ich daraus nie werden.

Nachtrag: ich bin übrigens positiv überrascht, dass die Aussagen auf der Website seit meinem Mailwechsel mit Prof. Spona (Februar/März 2010) deutlich vorsichtiger geworden sind. Ich habe wohl den Fehler gemacht, nicht noch einmal die Seite zu überprüfen, bevor ich diesen Artikel hier online gestellt habe.

Anmerkungen

[1]Hier ist der Studienbericht zu finden, in der 40 stationäre Depressions-Patienten beobachtet wurden. Die Hälfte bekam so etwas wie Vitatonic, also ein individuell zusammegestelltes Präparat, die andere Hälfte bekam ein Placebo. Depression, Selbstmordverhalten und Aggressionsverhalten wurden anhand von Fremdfragen-Tests beurteilt, etwa der Hamilton-Skala für die Beurteilung von Depressionen. Das sind natürlich keine „harten“ Endpunkte, dafür hätte man die wahre Selbstmordrate betrachten müssen usw.

Bildquellen

weißes Pulver: meggie auf flickr, CC-NC-BY-SA


Freitag, 11. Juni 2010

Mail an den WDR

Bitte einmal hier einen WDR-Beitrag über Schüßlersalze anschauen und mit den Ohren schlackern. Weil ich ja sonst nichts zu tun habe, protestiere ich öffentlich:
Sehr geehrte Damen und Herren,

ich bin schockiert, wie unkritisch der WDR mit umstrittenen Heilungsmethoden umgeht. Von einem öffentlich-rechltichen Format (Bildungsauftrag!) kann man mehr erwarten! Konkret beziehe ich mich auf diesen Beitrag:
http://www.wdr.de/tv/servicezeit/gesundheit/sendungsbeitraege/2010/0607/05_schuessler_salze.jsp

Anstatt darüber aufzuklären, dass die „Lehre“ der Schüßlerschen Salze darin besteht, esoterisch diagnostizierte Mineralstoffdefizite mit homöopathisch verdünnten Salzen zu beheben, wird munter die Selbstdarstellung der Schüßler-Anhänger vorgetragen.

Bei einer üblichen Dosierung von D6 (also 1:1.000.000 verdünnt) sind in einer Tonne Milchzucker etwa 1 Gramm Wirkstoff zu finden, wobei der normale tägliche Bedarf an verschiedenen Mineralien des Körpers schon höher liegt (z.B. Kalzium: ca. 1 Gramm, Natrium: ca. 4 Gramm). Der Versuch, auf diese Weise reale Defizite zu substituieren, mutet etwas selstam an. Bei einer D12-Potenz darf man sich entsprechend täglich Milchzucker im Megatonnenbereich zuführen.

Wie homöopathische Konzentrationen der Mineralien echte Defizite ausgleichen sollen, auf welchen seltsamen Kriterien die „Antlitzanalyse“ beruht, was echte Wissenschaftler über diesen pseudomedizinischen Schwachsinn zu sagen haben, habe ich in Ihrem Beitrag schmerzlich vermisst. Die Homöopathie als medizinische Therapie ist tot, was sie betreiben, kann man leicht als Leichfledderei bezeichnen.

In dem kurzen Beitrag wird zwar kurz darauf hingewiesen, dass es keine klinischen Belege für die Wirksamkeit gäbe, aber „Vielen sind die Erfahrungsberichte Beweis genug“. Als Vertreterin der „Schul“-Medizin wird eine Homöopathin, also Alternativheilerin, vorgestellt. Auf der Website finden sich Buchtipps zum Thema, nicht jedoch kritische Literatur. Bravo, das nenne ich ausgeglichene Berichterstattung!

Dabei ist der Standpunkt, der in der wissenschaftlichen Fachliteratur vetreten wird, eindeutig: Trotz hunderter (tausender?) Studien zur Homöopathie ist kein Wirksamkeitsnachweis erbracht worden. Ohne bewiesene Wirksamkeit muss eine Therapie verworfen werden, wie es auch in der „Schulmedizin“ gemacht wird.

Die persönliche Erfahrung über eine wissenschaftlich geführte Beweisführung zu stellen, ist mittelalterlich und mit den Grundprinzipien der modernen Medizin nicht zu vereinbaren.

Ich werde dieses Schreiben und ggf. Ihre Antwort in meinem völlig unbedeutenden Weblog veröffentlichen, sofern Sie nichts dagegen haben.

Mit freundlichen Grüßen
Martin **

Ich bezweifle ja, dass ich eine Antwort bekomme. Die Rechtschreibfehler sind in der Eile übrigens samt und sonders mit über den Äther gegangen.

Montag, 7. Juni 2010

Warum randomisierte kontrollierte Studien besser sind

Letztens bei Anna im Blog kam im Zusammenhang mit dem Wirksamkeitsnachweis der Homöopathie die Frage auf, warum gut durchgeführte Studien besser sind als Intuition und Erfahrung. Heute habe ich übers GWUP-Blog einen Artikel aus dem Ärzteblatt gefunden, der darlegt, warum die randomisierte kontrollierte Studien der Königsweg bei der Prüfung von Therapieeffekten ist: Randomisierte kontrollierte Studien: Kritische Evaluation ist ein Wesensmerkmal ärztlichen Handelns. Dtsch Arztebl 2008; 105(11): A 565–70

Zitat übernommen von hier:
Die Resultate von RCT [Randomisierte kontrollierte Studien] widersprechen oft der unmittelbaren klinischen Erfahrung. Der günstige Spontanverlauf von Erkrankungen, die selektive Symptomschilderung durch Patienten und die selektive Wahrnehmung von Ärzten, der Arztwechsel von unzufriedenen Patienten und damit ein unvollständiges Follow-up, eine verzerrte Erinnerung und anderes mehr tragen dazu bei, dass im Versorgungsalltag Therapieeffekte oft zu positiv eingeschätzt werden. Die Versorgungspraxis gibt also ein tendenziell geschöntes Feedback …
Aderlässe und Klistiere für jegliche Beschwerden, Bettruhe bei Rückenschmerzen, zu großzügig verordnete kardiale Antiarrhythmika, Schonung des Herzkranken – RCT waren und sind das aufklärerische Instrument, um Vorurteilen und gefährlichen Praktiken zu begegnen. Ärzte müssen nachweisen, dass die von ihnen vorgeschlagenen Behandlungen nachweislich mehr nutzen als schaden. Dies lässt sich nur mit wissenschaftlich validen Studiendesigns belegen, mit RCT an prominenter Stelle. Diese kritische Evaluation wird damit zu einem zentralen Definitionskriterium eines verantwortungsvollen therapeutischen Handelns.”

Lesen!

Donnerstag, 3. Juni 2010

Weshalb Homöopathie Humbug ist

Jetzt muss ich auch mal über Homöopathie schreiben, das Blog wär irgendwie unvollständig ohne einen persönlichen Anti-Homöopathie-Artikel. Meine Abneigung gegen diese „Lehre“ sollte im Freundes- und Bekanntenkreis leidlich bekannt sein, es folgt also nach einer kurzen Einführung eine Auswahl an wichtigen Punkten, die das Thema für mich so unplausibel macht.

Ursprung, Praxis und postulierte Wirkprinzipien der Homöopathie

Samuel Hahnemann entwickelte vor mehr als 200 Jahren im Selbstversuch seine eigene Hypothese von wirksamen Medikamenten. Gemessen an den Methoden seiner Zeit wirklich war er richtig fortschrittlich. Damals waren Methoden wie der Aderlass noch an der Tagesordnung – ein Verfahren, dass die Menschen umbringt und nicht etwa kuriert. Dargelegt hat er es im „Organon der Heilkunst“, in der er seine Homöopathie als einzige rationale Heilkunst darstellte.

Mittelalterliche Medizin: Aderlässe (Bildquelle)

Die Homöopathie fußt auf zwei Prinzipien, die beide als überholt gelten müssen, nämlich dem Simile-Prinzip und der Potenzierung. Das Simile-Prinzip besagt, dass man „Ähnliches durch Ähnliches heilen“ können soll (similia similibus curentur, Hahnemann). So soll die ausgewählte Substanz die Symptome kurieren, welche am Gesunden durch ebendiese Substanz hervorgerufen werden. Selbstgewähltes Besipiel: Werden durch Arsenvergiftung etwa die Fingernägel brüchig, müsste Arsen gegen brüchige Fingernägel helfen. In der Praxis wird der Homöopath nach einer ausführlichen Anamnese des Patienten entsprechend der Symptomatik das passende Mittel aus umfangreichen Katalogen auswählen.
Nach seinem berühmten, aber nicht reproduzierbaren Selbstversuch mit Chinarinde formulierte Hahnemann 1796 das Simile-Prinzip als Postulat. Dabei ist es ursprünglich viel älter, entsprechende Hinweise finden sich schon bei Paracelsus und Hippokrates.

Das Simile-Prinzip ist simplifizierend, entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und ist einfach falsch. Es existiert kein Medikament, das diesen Kriterien genügen würde, die Wirklichkeit ist wieder einmal etwas komplizierter. Mit dem heutigen Wissen um die Wirkung von pharmakalogischen Substanzen auf biochemischer Ebene ist es einfach unlogisch, denn der Wirkmechanismus eines Medikaments muss nicht zwingend die Symptome hervorrufen, gegen die es wirken soll. Ein Symptom (etwa Leberentzündung, Hepatitis) ist auch nur die Folge einer zugrundeliegenden Erkrankung, die von unterschiedlicher Art sein kann (bei Hepatitis: neben Autoimmunhepatitis und Virusinfektionen viele weitere Ursachen).

Wir halten fest: Ganz im Gegensatz zum Selbstbild der Homöopathie, werden mit ihr nur die Symptome behandelt. Die vielgescholtene „Schulmedizin“ hat durch ihren naturwissenschaftlichen Hintergrund oft die Möglichkeit, auch die Ursachen einer Erkrankung zu beseitigen.

Potenzierung bezeichnet ein serielles, rituell durchgeführtes Verdünnen und „Verschütteln“ der Wirksubstanzen, womit diese in ihrer Wirksamkeit verstärkt werden sollen. Die Stoffe werden in der Regel so weit verdünnt, dass kein einziges Molekül der Ausgangssubstanz mehr im endgültigen Präparat vorhanden sind.[1] Vielmehr sind die Verunreinigungen aus dem Verschlusskorken, dem Glas des Behälters, destilliertes Wasser und Apothekeralkohol viel höher konzentriert als die „potenzierte“ Substanz. Und die verschiedenen Moleküle der in der Lösung, egal ob Wirksubstanz oder Verunreinigung, können nicht entscheiden, ob sie gerade „potenziert“ werden sollen oder das Nachbarmolekül.

Laut Hahnemann wirkt das Medikament aber umso stärker, je stärker es potenziert (also verdünnt wurde). Die Logik dahinter habe ich noch nicht durchschaut. Ich nehme an, es gibt keine.

Postulierte Wirkmechanismen, Erklärungsversuche

Physikalische Grundlagen kann die Homöopathie also nicht haben, weshalb sich die Befürworter immer wieder auf persönliche Erfahrungen und Anekdoten („wer heilt, hat recht“), sowie generelle Kritik am Wissenschaftsbetrieb, der Pharmaindustrie oder der konventionellen Ärzteschaft zurückziehen. Die wenigen, die ernsthaft auf der Suche nach einem möglichen Wirkprinzip sind, berufen sich gerne auf das „Wassergedächtnis“ und quantenphysikalische Phänomene.

Ein Wassergedächtnis existiert nicht. Wasser kann keine geordneten Strukturen beibehalten, die länger als ein paar Nanosekunden bestehen bleiben, geschweige denn, die Aufnahme in die Körperzellen überleben würden. Die beliebteste Darreichungsform von Homöopathika sind derweil Milchzuckerkügelchen, so genannte Globuli, bei denen das Prinzip ein Wassergedächtnisses hinfällig ist.

Quantenphysikalische Erklärungsversuche werden meist mit viel Geschwurbel vorgetragen, dabei muss aber unbedingt das Wort „Quantenverschränkung“ fallen. An diesem Punkt hat sich der Vortragende in aller Regel als völlig ahnungslos bloßgestellt und jede weitere Diskussion wird fruchtlos verlaufen. Quanteneffekte laufen natürlich nicht auf makroskopischer Ebene ab und Quantenverschränkung hat auch nichts mit Informationsübertragung zu tun.

Schaurige Ausgangssubstanzen

Oft werden Homöopathika als „etwa Pflanzliches“ angepriesen. Doch werden regelmäßig aus giftigen Schwermetallen wie Quecksilber oder Blei, oder auch Innereien von Enten (Oscillo Coccinum, gegen Grippe!) Homöopathika hergestellt. Zwar weniger traditionell, kann man auch Hundekot, radioaktives Material, Spiegel, und sogar Wasser und Mondlicht potenzieren. Es gibt nichts, woraus man nicht auch ein Homöopathikum herstellen könnte. Florian Freistetter hat auf seinem Blog noch viele weitere Beispiele zusammengetragen in dem Artikel „Medikamente aus Hundekot?“.
Ich will damit sagen, dass unter Vorspiegelung der Wissenschaftlichkeit okkult anmutender Hokuspokus betrieben wird, der in keinem Fall seriöse Heilungsmethode sein kann, wenn man einmal von einer Placebotherapie absieht.

Drollige Gegenanzeigen

In §284 des Organons[2]  klärt Hahnemann darüber auf, was Gegenanzeigen der homöopathischen Mittel sind, mit den Worten: „Alle diese Dinge müssen möglichst vermieden oder entfernt werden, wenn die Heilung nicht gehindert oder gar unmöglich gemacht werden soll.“
Kaffee, feiner chinesischer und anderer Kräutertee; Biere mit arzneilichen, für den Zustand des Kranken unangemessenen Gewächssubstanzen angemacht, sogenannte feine, mit arzneilichen Gewürzen bereitete Liqueure, alle Arten Punsch, gewürzte Schokolade, Riechwasser und Parfümerieen mancher Art, stark duftende Blumen im Zimmer, aus Arzneien zusammengesetzte Zahnpulver und Zahnspiritus. Riechkißchen, hochgewürzte Speisen und Saucen, gewürztes Backwerk und Gefrornes mit arzneilichen Stoffen, z.B. Kaffee, Vanille u.s.w. bereitet, rohe, arzneiliche Kräuter auf Suppen, Gemüße von Kräutern, Wurzeln und Keim-Stengeln (wie Spargel mit langen, grünen Spitzen), Hopfenkeime und alle Vegetabilien, welche Arzneikraft besitzen, Selerie, Petersilie, Sauerampfer, Dragun, alle Zwiebel-Arten, u.s.w.; alter Käse und Thierspeisen, welche faulicht sind, (Fleisch und Fett von Schweinen, Enten und Gänsen, oder allzu junges Kalbfleisch und saure Speisen; Salate aller Art), welche arzneiliche Nebenwirkungen haben, sind eben so sehr von Kranken dieser Art zu entfernen als jedes Übermaß, selbst das des Zuckers und Kochsalzes, so wie geistige, nicht mit viel Wasser verdünnte Getränke; Stubenhitze, schafwollene Haut-Bekleidung, sitzende Lebensart in eingesperrter Stuben-Luft, oder öftere, bloß negative Bewegung (durch Reiten, Fahren, Schaukeln), übermäßiges Kind-Säugen, langer Mittagsschlaf im Liegen (in Betten), Lesen in wagerechter Lage, Nachtleben, Unreinlichkeit, unnatürliche Wohllust, Entnervung durch Lesen schlüpfriger Schriften, Onanism oder, sei es aus Aberglauben, sei es um Kinder-Erzeugung in der Ehe zu verhüten, unvollkommner, oder ganz unterdrückter Beischlaf; Gegenstände des Zornes, des Grames, des Aergernisses, leidenschaftliches Spiel, übertriebene Anstrengung des Geistes und Körpers, vorzüglich gleich nach der Mahlzeit; sumpfige Wohngegend und dumpfige Zimmer; karges Darben u.s.w.

Wenns also mal nicht klappt, findet man sicher etwas passendes aus der obigen Aufzählung, was das Ausbleiben eines Therapieerfolgs erklärt.

Wirksamkeitsnachweise

Gibt es nicht. Es wurden zahllose Studien durchgeführt, von Homöopathen und Nicht-Homöopathen, Meta-Analysen dieser Studien und Meta-Analysen der Meta-Analysen. An der Charité existiert sogar eine Stiftungs-Professur, die sich den wissenschaftlichen Nachsweis homöopathischer Wirkung auf die Fahnen geschrieben hat. Die Charité hat dafür eine Million Euro bekommen[3], um sich ihren Ruf von Prof. Claudia M. Witt ruinieren zu lassen.

Das Ergebnis der ganzen Bemühungen lässt sich mit „Homöopathie ist Hexerei“ zusammenfassen. Mehr dazu auch hier und hier von Ben Goldacre.

Aber wenn es doch nicht schadet?

Ich höre immer, ich soll den Leuten doch ihr Zeug lassen, wenn es ihnen hilft. Mach ich auch, jeder kann selbst entscheiden, wie weit der Selbstbetrug bei der Selbstmedikation gehen soll. Wenn aber Krankenkassen anfangen, derartige sinnlose „Therapien“ zu finanzieren und Ärzte meinem Kind Homöopatika verschreiben, hört der Spaß auf.

Eine Fortschrittsgesellschaft, die ihre Errungenschaften und Erfolge auf der Wissenschaft begründet, kann nicht auf der anderen Seite wissenschaftliche Erkenntnisse zur Homöopathie ignorieren. Wo das letztlich hinführt, haben wir in Thabo Mbekis Südafrika gesehen, wo mehr als 300.000 Menschen unnötigerweise an AIDS sterben mussten, weil man ihnen wirksame retrovirale Medikamente voranthalten hat. Stattdessen sollten sie rote Bete, Zitronenöl und Konblauch essen, proklamierte damalige Gesundheitsministerin Tshabalala-Msimang.

Nicht zuletzt finde ich, der Arzt darf mich als Patienten nicht über die Wirkung des verabreichten Medikaments belügen, auch wenn im konkreten Fall eine Placebotherapie sinnvoll wäre, denn sonst könnte ich kein Vertrauen in die Entscheidungen meines Arztes haben.

Anmerkungen

[1] Es wird eine D- und C-Notation verwendet, wobei die Ausgangssubstanz 1:10 (D) oder 1:100 (C) verdünnt wird und diese Verdünnung so oft wiederholt wird, wie es vorgeschrieben ist. D78 entspricht einer 78 Mal aufeinanderfolgende 1:10-Verdünnung, also einer 1:1078-Verdünnung. Die Zahl der Teilchen im ganzen Universum wird aber auf „nur“ 1078 Teilchen geschätzt. Also müsste bei D78 ein Molekül Wirksubstanz in allen Teilchen des Universums verdünnt werden. Es gibt aber sogar C300-Verdünnungen. Man kann sich leicht ausmalen, dass in seinem Endpräparat nichts von der Ausgangssubstanz mehr vorhanden sein dürfte.
[2]Ich beziehe mich hier auf die 3. Ausgabe von 1824, einsehbar und als zum Download als PDF via Google Books. Die zitierte Textstelle findet sich in einer Fußnote auf Seite 253. In der letzten, 6. Ausgabe findet sich die Notiz in §260.
[3]Pressemitteilung der Carstens-Stiftung vom 23. Mai 2007 (PDF)

(Nachtrag: Erläuterung zum Simile-Prinzip korrigiert. Danke, Anna!)